
Viele der Menschen in Lwiw sind auf die Hilfe von Pater Marek Dziedzic (zweiter von rechts) und seines Mitbruders angewiesen.
© privatVon Deutschland schickte ihn sein Orden zuerst nach Schweden. Doch die Großstadt Malmö war für ihn kein wirkliches Missionsgebiet. Zum 25-jährigen Ordensjubiläum nahm sich Dziedzic eine Auszeit – und verbrachte 2020 ein Sabbatjahr in der Ukraine, in einer Stadt 100 Kilometer entfernt von Kiew und nahe der Grenze zu Russland.
Die Menschen dort hat der Ordenspriester sofort ins Herz geschlossen: „Sie sind freundlich und hilfsbereit, nicht satt vom Wohlstand.“ Gerne war er für sie da. Doch dann wurde er krank, brauchte gute medizinische Versorgung.
Als es Dziedzic besser ging, zog er im Frühjahr 2022 nach Lwiw: „Da war schon Krieg.“ Im vierten Stock einer Plattenbauwohnung bildet er mit einem Mitbruder eine kleine Kommunität, eine geistliche Gemeinschaft. Die nahegelegene Kirche müssen sie für die Gottesdienste mieten.
„Die Stadt ist voll mit Flüchtlingen“, beschreibt der katholische Priester die Situation in Lwiw. Und ständig kommen mehr Menschen, die Sicherheit suchen. Sie bringen die seelischen Folgen des Krieges mit. Pater Dziedzic und sein Mitbruder leisten ihnen Beistand, so gut es geht.
Auch wenn sich der Schwerpunkt der Kämpfe in den Osten der Ukraine verlagert hat. Zwei-, dreimal am Tag gibt es aber auch in Lwiw Luftalarm. Meistens in den frühen Morgenstunden. „Inzwischen sind wir abgestumpft, wir gehen nicht mehr in die feuchten, kalten Schutzräume“, berichtet Marek Dziedzic.
Dass mehr und mehr junge Männer eingezogen werden, sieht der Oblaten-Pater mit zunehmender Sorge. Immer wieder kämen diese nach kurzer Zeit zurück – tot. Doch nicht nur das würdevolle Beerdigen der gefallenen Soldaten sieht Dziedzic als seinen Dienst an, auch das Kümmern um ausreichend Medikamente, Lebensmittel und Kleidung. „Es fehlt an allem“, betont er – und hofft, wie er anfügt, auf Hilfe, obwohl er weiß, dass auch in Deutschland und den Nachbarstaaten die wirtschaftliche Lage schwieriger wird.
Um Moral und Motivation hochzuhalten, werde in der Ukraine über den Verlust an Menschen und Waffen geschwiegen. Das kreidet Marek Dziedzic Präsident Wolodymyr Selenskyj an. Die jungen Männer, die für den Krieg rekrutiert würden, hätten keine Ahnung, was sie erwartet: „Die psychischen Folgen sind unheilbar.“
Unruhig verfolgt der ehemalige Weseker Pfarrer Putins angeordnete Teilmobilmachung. Er hofft, dass diese Entscheidung Proteste bei den neureichen Oligarchen auslöst, die letztendlich zu einer Absetzung des russischen Präsidenten führen werden.
Angst, dass die Menschen in der Ukraine es nicht durch den üblicherweise klirrendkalten Winter schaffen, hat der Ordenspriester nicht: „Sie sind gewohnt, wenn Heizung und Strom ausfallen.“ Hilfe, betont Pater Marek Dziedzic am Ende des Telefonates noch einmal, sei aber trotzdem willkommen und sinnvoll.
Gudrun Niewöhner