Pfarrer Hans Sanders bestattet Wohnungslose aus Münster-Ost

"Penny-Pastor", so nennen ihn seine Freunde von der Straße liebevoll – nach dem Supermarkt, in dessen Nähe er wohnt. "Das ist völlig in Ordnung für mich", sagt Pfarrer Hans Sanders und lacht.

An dem Supermarkt am Hansaring in Münster begegnet er den Wohnungslosen des Viertels regelmäßig. Das ist von dem 76-Jährigen so gewollt. Denn seit der frühere Rektor der Kapelle der Heimvolkshochschule Gottfried Könzgen in Haltern am See vor rund drei Jahren nach Münster kam, hat er sich der Wohnungslosen angenommen. "Ich mache das sehr gerne und habe viele schöne Begegnungen dabei", sagt er.

Sanders begleitet sie – im Leben und bis in den Tod. Wenn ein Wohnungsloser stirbt, kümmert er sich – unterstützt von Verantwortlichen der Bischof-Hermann-Stiftung – um eine würdevolle Verabschiedung und übernimmt die Bestattung. "Am Anfang habe ich Herzklopfen gehabt, jetzt übernehme ich diese Aufgabe gerne", erklärt er. Mehr noch, der Pfarrer hält die Begleitung für ein "wahres Werk der Barmherzigkeit": "Ich möchte nicht, dass diese Menschen auf ihrem letzten Weg alleine sind. Das Schlimmste ist, wenn ein Mensch anonym gelebt hat und dann auch noch anonym begraben wird", betont er. Die größte Sorge vieler Wohnungsloser sei, so weiß Sanders aus Gesprächen, nach dem Tod vergessen zu werden. "Wenn jemand zu mir sagt: "Wenn ich gestorben bin, wird niemand mehr wissen, dass ich überhaupt gelebt habe.‘, macht mich das sehr betroffen", sagt er. Umso mehr freue er sich, wenn die Verabschiedungsfeier dann zu einer Versöhnung zwischen dem Toten und den seit Jahren auseinandergelebten Verwandten beiträgt.

Die Kontakte zu den Einrichtungen für Wohnungslose in Münster-Ost hatte der Pfarrer noch aus früheren Jahren. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), deren Diözesanpräses Sanders lange Jahre war, hatte ihre Büroräume im Gebäude der Bischof-Hermann-Stiftung, die in Münster Einrichtungen für ehemalige obdachlose Männer betreibt. Schon damals hatte er einen guten Draht zu diesen Menschen. Aus diesem Grund ist er anschließend auch gerne Pfarrer in Marl, "der Arbeiterstadt", gewesen. "Ich mag diese Menschen. Es mögen zwar zumeist einfache Leute sein, sie haben aber ein großes Herz und sind engagiert", sagt Sanders.

Sobald ein Bewohner einer der Einrichtungen verstirbt, klingelt das Telefon des Pfarrers. Falls er den Verstorbenen nicht kennt, informiert er sich über das Leben dieses Menschen. "Dort leben Männer, die zwischen Mitte 30 und 80 Jahren alt sind, und jeder bringt seine ganz eigene Lebensgeschichte mit", erzählt der Geistliche. Bei der Verabschiedungsfeier in der Kapelle der Bischof-Hermann-Stiftung erkennt man darum auch sofort, wer verstorben ist. Ein großes Foto und Erinnerungsstücke sowie Symbole, die viele mit dem Verstorbenen verbinden, erinnern an die Person. "Das kann auch mal eine Angel sein, weil das sein Hobby war, oder Schokolade, weil dieser Mensch anderen gerne Schokolade geschenkt hat, um ihnen eine Freude zu machen", erinnert sich Sanders.

Auf dem Friedhof Lauheide findet der Verstorbene schließlich seine letzte Ruhe. Freunde, die mit ihm auf der Straße gelebt haben, manchmal auch Angehörige, begleiten Pfarrer Sanders dorthin. "Es gibt nichts Schlimmeres als eine Beerdigung ohne Menschen, die die Person gekannt haben", sagt er. Darum setzt er sich dafür ein, dass die Wohnungslosen das bekommen, was ihnen sonst – auch aus Kostengründen – verwehrt bleibt: eine würdige Bestattung und einen Namen auf dem Grabstein. Die Kosten dieser sogenannten Sozialbestattung übernimmt die Stadt. "Wichtig ist die gute Zusammenarbeit mit dem Bestatter und dem Ordnungsamt", weiß er aus Erfahrung.

"Richtige Freunde", wie Pfarrer Sanders selbst sagt, hat er mittlerweile unter den Wohnungslosen gefunden. Manchmal sucht er die Plätze in Münster-Ost auf, gesellt sich zu ihnen und spricht mit ihnen. "Dann lachen wir viel, manchmal ergeben sich aber auch ernstere Unterhaltungen", sagt er. Und nicht selten wird er mit folgenden Worten verabschiedet: "Pastor, wenn ich tot geh, musst Du mich beerdigen."

Bildunterschrift: Grablichter stehen regelmäßig auf der Einkaufsliste von Pfarrer Hans Sanders. Er entzündet sie auf den Gräbern der Wohnungslosen, die er bestattet hat.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 10.11.16
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Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann