Von Weihnachten geht Sprengkraft aus

, Bistum Münster, Stadtdekanat Münster

„Gott hat die Sehnsucht, sich zu begrenzen, in ein Kind hineinzugehen, das unter ganz begrenzten und beschränkten Verhältnissen zur Welt kommt und aufwächst. Weihnachten ist das Geheimnis der Begrenzung Gottes, eine ungeheure Vorstellung und Provokation!“  Das hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am Heiligen Abend bei der Feier der Christmette im St.-Paulus-Dom in Münster betont.

Die Zeichnung zeigt Bischof Dr. Felix Genn. Eine Sprechblase enthält die Worte "Frohe und gesegnete Weihnachten Ihnen allen!". Rechts und links neben den Bischof befinden sich eine Krippe und ein Adventskranz mit vier brennenden Kerzen. Durch ein Fenster im Hintergrund blickt man auf die Westfassade mit den zwei Türmen des St.-Paulus-Doms.
© Bistum Münster / Heiko Sakurai

Begrenzungen, so unterstrich der Bischof, hätten die Menschen gerade auch in diesem Jahr auf schmerzliche Weise erfahren müssen: von der Pandemie über die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bis hin zu den schweren Tornados in den vergangenen Wochen in den Vereinigten Staaten. Der leidvollen Erfahrung von Begrenzung, Machtlosigkeit und Verletzlichkeit stehe auf der anderen Seite die tiefe Sehnsucht nach Entgrenzung gegenüber, die sich beispielsweise daran zeige, dass Weltraumtouristen ins All fliegen wollen. In diese menschliche Spannung hinein werde die Botschaft von Weihnachten verkündet. Ihr Inhalt sei „genau diese Wirklichkeit von Entgrenzung und Begrenzung, die wir im Geheimnis Gottes selber glauben dürfen.“ Bischof Genn: „Dieser unendliche, von uns nicht vorstellbare Gott, hat nicht die Sehnsucht, im ganzen Universum seine Entgrenzung von allen Schranken zu leben, sondern die Sehnsucht, sich zu begrenzen, in ein Kind hineinzugehen, das unter ganz begrenzten und beschränkten Verhältnissen zur Welt kommt und aufwächst.“

Der Bischof betonte, dass von dem begrenzten, kleinen, unscheinbaren Anfang „eine Sprengkraft ausgeht, die der Beginn und die Eröffnung eines gewaltigen Ereignisses wird, das die ganze Menschheit durchzieht“. Gott werde Mensch, so klein, dass man ihn übersehen könne. „Er ist arm, ungeschminkt, nackt. Er ist gewöhnlich. Wer über den Dingen schwebt, sieht ihn nicht. Wer die Armut nicht sieht, geht an ihm vorüber“, sagte der Bischof und betonte: „Gott schwebt nicht über den Dingen.“ Vielmehr offenbare dieser Gott in der Gestalt des in Windeln gewickelten Kindes „eine vorbehaltlose liebende Hingabe an uns, und zwar so, dass er in seiner Selbstlosigkeit alles gibt, bis hin dazu, dass er gewissermaßen von uns Menschen ‚gebraucht werden kann‘, als jemand, zu dem wir unsere Zuflucht nehmen können, besonders dann, wenn die ganze Begrenztheit unseres Daseins aufbricht.“

Wie Gott sich begrenze, indem er in Jesus Christus Mensch werde, könne es für die Menschen besser sein, „sich auch selbst in eine solche Begrenzung hineinzugeben, nämlich in den Dienst an den Armen, in das Mitleiden mit den von der Flutkatastrophe oder den Tornados Betroffenen, im Dienst an denen, die durch die Pandemie entsetzlich geplagt sind“. Viele Christinnen und Christen, aber auch Menschen, die nicht glauben, hätten das in den zurückliegenden Wochen in ihrer Begrenztheit getan und dadurch gezeigt, wie viel Entgrenzung den Menschen möglich sei. Gott, so sagte der Bischof, wolle die Menschen durch seine Liebe aus der Begrenzung retten.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie war die Zahl der mitfeiernden Gläubigen im Dom auf 350 Menschen beschränkt.