Podiumsdiskussion zum Thema Flüchtlinge in St. Josef Walsum
Auch der Heilige Josef war mit seiner Familie, der Gottesmutter Maria und dem kleinen Jesus, auf der Flucht.
Wie es ihm in dieser Situation heute ergehen würde, diese hypothetische Überlegung stand im Mittelpunkt der Podiumsveranstaltung ,Wohin geht die Reise?‘ am 1. Juni in der Walsumer St.-Josef-Kirche. Auf dem Podium saß auch der Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).
Rund um das Jubiläum 100 Jahre St. Josef in Duisburg-Walsum bereitet die heute zur Pfarrei St. Dionysius gehörende Gemeinde eine Woche lang das Leben des Heiligen Josef in vielen Facetten auf. Dabei spielt das Thema Flucht und Asyl eine entscheidende Rolle, unter anderem in der Podiumsdiskussion. "Wir sind als Christen in einer besonderen Verantwortung dazu beizutragen, dass die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sich bei uns wohl fühlen", begrüßte Pfarrer Herbert Werth die zahlreichen Besucher der Podiumsdiskussion.
Weihbischof Geerlings sieht den Gesetzgeber gefordert, rechtliche Schranken beispielsweise bei der Arbeitsaufnahme für die Flüchtlinge abzubauen, um echte Integration zu ermöglichen. Er berichtete aus seiner Arbeit bei der DBK. "Asylrechtsfragen, die Unterbringung der Menschen, die Schaffung von Bildungschancen für die Flüchtlinge und die europäische Dimension der Flüchtlingsfragen sind die drängenden Fragestellungen", machte der Weihbischof deutlich, "wir leiden darunter, dass die Regelungen zur Arbeitsaufnahme in Deutschland noch aus einer Zeit der hohen Arbeitslosigkeit stammen." Hier müsse die Politik neue Wege gehen. "Es kann nicht sein, dass bei jemandem, der Pizza ausfahren will, das Arbeitsamt zunächst prüfen muss, ob nicht ein Deutscher diese Aufgabe erledigen kann", kritisierte Geerlings.
Den Wunsch des Weihbischofs nach europaweiten Regelungen teilte der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Sören Link. "Wir brauchen eine präventive europäische Flüchtlingspolitik", betonte er. Es gehe darum, Fluchtursachen zu erkennen und zu vermeiden. Das Stadtoberhaupt bedankte sich bei den zivilgesellschaftlichen Akteuren und den Kirchen für die große Unterstützung. Nur so könne die Kommune die Probleme lösen, die durch die Flüchtlingswelle entstünden. Link beklagte, wie auch Landesinnenminister Ralf Jäger, die unzureichende Unterstützung des Bundes. Dieser lasse Länder und Kommunen vielfach allein.
"Der Druck liegt bei uns", sagte Jäger. Er bemängelte vor allem die zu langsame Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: "Es darf nicht sein, dass Verfahren im Durchschnitt sieben Monate dauern und wir in Einzelfällen Menschen über 18 Monate lang im Ungewissen darüber lassen, was mit ihnen geschehen wird." Politik und Gesellschaft müssten sich aber auch ganz offen der Debatte über die Probleme und die Wahrnehmung der Menschen stellen. Protesten vom rechten Rand müsse man aus der Mitte der Gesellschaft entgegentreten. "Da helfen uns die Kirchen enorm, weil sie klare Kante zeigen", hob Jäger hervor.
"Wir müssen zunächst einmal die Gesellschaft loben, für all das, was sie tut", erklärte Rupert Neudeck. Der Mann, der in den frühen 80-er Jahren mit dem Schiff Cap Anamur tausende vietnamesische ,Boatpeople‘ rettete, ist dankbar für die große Hilfsbereitschaft, die in Deutschland immer wieder deutlich werde. "Europa verliert seine Seele, wenn es Menschen auf dem Meer ersaufen lässt", benannte Neudeck die Verantwortung der Politik. Er selbst sei vor mehr als 70 Jahren als Flüchtling aus Danzig nach Deutschland gekommen. "Wir müssen großzügig sein", das sei die Erkenntnis der Deutschen nach dem Krieg und in den Zeiten des Wirtschaftswunders gewesen. Daraus erkläre sich auch die große Hilfsbereitschaft der Menschen bis zum heutigen Tag. Auch heute gelte es, vom eigenen Wohlstand abzugeben. Das Beispiel der Vietnamesen zeige, wie Integration gelingen könne. Das müsse "in unserer gut ausgebildeten Mittelstandsgesellschaft" auch mit anderen Flüchtlingsgruppen funktionieren.
Kirsten Eichler vom Flüchtlingsrat NRW – einer Organisation, die ehrenamtliches Engagement bündelt und politische Lobbyarbeit betreibt – lenkte den Blick auf die rechtliche Situation der Flüchtlinge. "Es darf nicht alles nur mit dem Maßstab des Asylrechts bewertet werden", sagte sie. Die Genfer Flüchtlingskonvention biete durchaus mehr Gründe, Menschen als Flüchtlinge anzuerkennen und ihnen Heimat zu geben. Sie forderte die Politik auf, mehr Menschenrechtsfragen in die juristische Bewertung einfließen zu lassen.
"Das Boot ist noch lange nicht voll, auch in Duisburg nicht", betonte Weihbischof Geerlings zum Ende der knapp zweistündigen Diskussion. Es bedürfe dringend neuer Wege. "Da muss man auch die Frage nach legalen Einwanderungsmöglichkeiten für die Menschen diskutieren, die bei uns arbeiten wollen", sagte er, "darüber hinaus gehört das gesamte Asylrecht auf den Prüfstand." Wenn die demografische Entwicklung zeige, dass die Deutschen in absehbarer Zeit weniger sein werden, müsse man kreativ überlegen, wie man die Zukunft gestalten wolle. "Dazu gehört auch, dass wir anders denken und weniger regeln", meinte der Weihbischof.
Die Moderatorin, die WDR-Redakteurin Gisela Steinhauer, dankte für die engagierte Diskussion. Sie sei vor drei Wochen von einer Recherche aus Indonesien wiedergekommen. Dort sei ihr noch einmal bewusst geworden, wie schlimm der Umgang mit Flüchtlingen in anderen Ländern sei und wie dankbar wir sein dürfen, "in einem Land wie dem unseren zu leben".
Text: Bischöfliche Pressestelle
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