Rund 5.000 Teilnehmende der Osnabrücker Wallfahrt ziehen in Telgte ein

, Kreisdekanat Warendorf

Tara (6) und ihr Bruder Elean (4) sind aufgeregt: Gemeinsam mit ihrer Großmutter stehen sie am Straßenrand, vor ihnen ein Klapptisch mit Bechern, die sie im Eiltempo mit Wasser auffüllen. „Da kommen sie schon!“, ruft Tara und schaut dem zügig näher kommenden Pilgerstrom nervös entgegen. Doch als die ersten der mehreren tausend Pilgerinnen und Pilger die kleine, private Versorgungsstation erreicht haben, greift das Mädchen beherzt zu den Bechern und drückt einigen im Vorbeigehen einen Becher in die Hand. Den Schluck Wasser können sie gut gebrauchen, liegen doch rund 43 Kilometer hinter den Wallfahrern, die am 6. Juli an der Osnabrücker Wallfahrt nach Telgte, eine der größten Fußwallfahrten Deutschlands, teilnehmen.
 

Um 1.30 Uhr in der Nacht starteten die ersten Pilger mit einer Messe, immer mehr schlossen sich dem Pilgerzug bei Stationen in Georgsmarienhütte, Bad Iburg, Glandorf, Oedingberge und Ostbevern an. „Wir schätzen dass es insgesamt rund 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren“, sagt Martin Schomaker, Dechant der Osnabrücker St.-Johann-Pfarrei. Solange sie denken können, gehören Anne-Marie Heuer (25) und Pia Bücker (23) zu den Teilnehmenden der Fußwallfahrt. „Das ist eine richtige Familientradition“, sagen beide, denn auch Eltern und Geschwister sind immer mit dabei. „Die Gemeinschaft, der Gesang und das Gebet tragen einen über die vielen Kilometer bis hierher“, sind sich die jungen Frauen einig. 

Nur noch wenige Meter, dann haben die Wallfahrer ihr Ziel erreicht: das Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter von Telgte, das am Morgen eigens für die vielen tausend Pilger aus der Gnadenkapelle in die Propsteikirche getragen wurde. Hunderte stehen am Straßenrand, am Marktplatz und an der Gnadenkapelle und begrüßten die vorbeiziehenden Pilger mit kräftigem Applaus – auch wenn diese beim Einzug in die Stadt Strophe für Strophe des Marienliedes „Meerstern, ich dich grüße“ singen. Ab der Emsbrücke bekommen die Pilger Unterstützung: Neben der Wallfahrtsgilde und Messdienern reihen sich auch Münsters Bischof Dr. Felix Genn, der emeritierte Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sowie der Telgter Propst Dr. Michael Langenfeld in den Pilgerstrom ein und führen die Gruppe bis zur Gnadenkapelle.

„Ich hatte beim Einzug in Telgte Tränen in den Augen“, sagt Heiner Neite aus Warendorf-Hoetmar. Zum vierten Mal pilgerte der 62-Jährige mit. „Es ist immer wieder ein unbeschreibliches, wunderschönes Erlebnis“, zeigt er sich erfüllt, während er auf dem Boden sitzt, angelehnt an eine Hauswand mit Blick auf die Gnadenkapelle. Die meisten Ankommenden haben sich sogleich in die Schlange jener eingereiht, die durch den Mittelgang der St.-Clemens-Kirche zum Gnadenbild zogen, um es zu berühren und innezuhalten. „Das machen wir gleich auch noch, aber erst möchte ich dieses Gefühl genießen“ – ein Gefühl, das er nur schwer in Worte fassen kann. „Die immer wiederkehrenden Kirchenlieder und Gebete sind wie eine Meditation – der ganze Tag ist trotz der Bewegung eine einzige Entspannung für den Geist“, beschreibt der Hoetmarer. 

Als „gutes Pilgerwetter“ bezeichnet Rita Hüser die angenehmen Temperaturen und den Mix aus Sonne und Wolken. Die Geschäftsführerin des Malteser Hilfsdienstes Telgte ist mit 30 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Einsatz. Sie versorgen die Pilger mit Getränken und behandeln kleine Blessuren. „Kreislaufprobleme gab es eher weniger, Blasen kamen dafür bei einer solchen langen Strecke häufiger vor“, fasst Rita Hüser zusammen – und zieht insgesamt ein gutes Fazit: „Der Dienst macht uns richtig Spaß.“

Bevor für die meisten Pilger der erholsame Teil des Tages beginnt, begrüßt Propst Langenfeld die Osnabrücker Wallfahrer noch offiziell auf dem Kirchplatz. Der kurze Regenschauer währenddessen kann das gemeinsam Erlebte keineswegs trüben. Der Jubel ist besonders groß, als der Wallfahrtsrektor die Kommunionkinder aus den Orten entlang der Wegstrecke aufruft, die die Strecke mitgepilgert sind. Ein letztes Marienlied und der Platz leert sich nach und nach. „Ich freue mich auf eine schöne warme Dusche“, sagt Ulrike Meyer aus Osnabrück lachend. Ihr Bruder und ihre Mutter sind nach Telgte gekommen, um die 52-Jährige und ihre Freundin abzuholen, die schon weitere Pläne hat: „Heute Abend werde ich meine Füße gut eincremen und massieren und dann früh, aber sehr erfüllt schlafen gehen.“

Ann-Christin Ladermann