Studierende experimentieren mit professionellen Scans und Handyfotos

, Bistum Münster

Alle Welt redet gerade von ChatGPT, einer Software mit Künstlicher Intelligenz (KI), die eigenständig Texte verfasst. Digitale Werkzeuge mit KI kommen nun auch im Münsterschen Bistumsarchiv und in der Diözesanbibliothek Münster zum Einsatz. Was damit geht, lernen in dieser Woche Studierende und Promovierende unterschiedlicher Studiengänge erstmals in einer Frühlingsschule „Manuskriptkulturen. Interdisziplinär. Digital.“ Ins Leben gerufen wurde sie vom Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums der Universität Münster.

Über die Kooperationsanfrage hat sich Dr. Kirsten Krumeich, stellvertretende Leiterin der Diözesanbibliothek, sehr gefreut. „Historische Handschriften und Drucke zu lesen, zu verstehen und einzuordnen, das ist ohne digitale Werkzeuge eine langwierige und mühsame Angelegenheit“, erklärt sie. Generationen von Heimat- und Geschichtsforschenden könnten davon ein Lied singen.

Ihre Arbeit werde inzwischen einfacher. „Forschende müssen nicht mehr für jedes Dokument dessen Aufbewahrungsort aufsuchen, sich ein Original vorlegen lassen und dieses entziffern“, sagt Krumeich. Immer mehr Handschriften und Drucke seien professionell eingescannt; immer mehr würden mittels KI verschriftlicht. Der erkannte Text werde noch recht häufig manuell optimiert, „wegen der großen Vielfalt von Kurrent- und Druckschriften, Schreibweisen und Abkürzungen. Hier sind jedoch dank KI in Zukunft große Entwicklungen zu erwarten.“

Die wissenschaftliche Bibliothekarin ist zuversichtlich: „Künftig wird es Standard sein, dass eingescannte historische Dokumente im Internet mit einem maschinell durchsuchbaren Text auffindbar sind. Im Idealfall sind dann jeweils ergänzende Informationen hinterlegt. Das bedeutet, dass genannte Institutionen, Personen oder Orte eindeutig identifizierbar und ihre Beziehungen untereinander erkennbar sind.“

Bis dieses Ziel erreicht sei, seien allerdings noch viele alte Schriften und Drucke zu bearbeiten. Was dabei zu beachten ist, das lernen die Teilnehmenden der Frühlingsschule in praktischen Übungen mit dem Service Center for Digital Humanities der Universität. Ein Forschungsobjekt ist die ältere Chronik des Klosters Vinnenberg von 1723 aus der Diözesanbibliothek, in der Benediktinerinnen auf die bewegte Phase ihrer Klostergeschichte nach Ende des dreißigjährigen Krieges zurückblicken. Diese Chronik ist bislang nicht ediert, und am Ende des Projekts soll sie vollständig in Bild und Text online zugänglich sein,“ schildert Krumeich.

Am Montag verfolgten die Teilnehmenden in Kleingruppen im Bistumsarchiv, wie mit einem professionellen Buchscanner gearbeitet wird. Michael Werthmann, Musikwissenschaftler und Bibliothekar der Diözesanbibliothek, erklärte und demonstrierte die Handhabung und Möglichkeiten des Geräts anhand einer lateinischsprachigen Version des Oratoriums Messias von Georg Friedrich Händel, die von Fortunato Santini stammt.

Mehrere Studierende schauen auf zwei Computerbildschirme, auf einem der Bildschirme ist die Abbildung eines Buches zu sehen. Ein Mann steht erklärend daneben. Im Hintergrund befindet sich der Scanner mit einem aufgeschlagenem Buch.

Mit großem Interesse verfolgten Studierende das professionelle Einscannen historischer Schriften am Buchscanner im Bistumsarchiv. Sie lernten zudem die Transkribus-Software kennen, ein Tool mit künstlicher Intelligenz, das eingescannte historische Vorlagen verschriftlicht.

© Bischöfliche Pressestelle / Martin Wißmann

Danach begab die Gruppe sich in einen Raum der Uni in der Johannisstraße, wo die Teilnehmenden mit ihrem Handy und einem „ScanTent“ das Abfotografieren handschriftlicher Materialien ausprobierten. Außerdem lernten sie hier die Transkribus-Software kennen, ein KI-Werkzeug, das mit jeder weiteren Scan-Nachbearbeitung historische Vorlagen immer professioneller verschriftlicht.

Kirsten Krumeich würde sich freuen, wenn auch künftige Studienwochen solche praktischen Übungen an Beständen des Bistumsarchivs oder der Diözesanbibliothek machen würden: „Für ähnliche Projekte haben wir etliche weitere, neuzeitliche Handschriften, auch aus Pfarr- und Klosterbibliotheken oder aus Nachlässen, etwa jenem der Amalie von Gallitzin.“ Von solchen Studienwochen erhofft sie sich „eine vermehrte Rezeption durch eine Generation von Forschenden, die ganz selbstverständlich und verstärkt digitale Tools für ihre Wissenschaft einsetzt.“

Martin Wißmann