Weil der Mensch das wichtigste Instrument in der Arbeit für Menschen ist

, Bistum Münster, Stadtdekanat Münster

Das Geburtstagskind ist mehr als ein halbes Jahrhundert alt – aber ein Begriff ist es vor allem Fachleuten. Dabei ist die Ausbildung in Pastoralpsychologie, die es im Bistum Münster seit 51 Jahren gibt, ein unverzichtbarer Bestandteil der Kompetenz von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, findet Reinhild Runde als Leiterin der pastoralpsychologischen Ausbildung im Bistum. Denn: „Der Mensch ist das wichtigste Instrument in der Arbeit für und mit Menschen.“ Um das Verstehen der eigenen Person und Geschichte, um darauf basierende Beziehungsfähigkeit geht es unter anderem in der Pastoralpsychologie.

Reinhild Runde leitet die pastoralpsychologischen Ausbildung im Bistum Münster.

© Bistum Münster

Deren Jubiläum im Bistum Münster ist Ende September – mit einjähriger Corona-Verzögerung –mit einem Festakt unter dem Leitwort „Geschüttelt und gerührt“ gefeiert worden. Das Leitwort passt, bringt doch die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und Geschichte immer Bewegung ins Leben. Die Pastoralpsychologie packe stets „heiße Eisen“ an, sagt Runde.

Kein Wunder, thematisiert sie doch alles, was der pastorale Alltag von Seelsorgern in Pfarreien, Schulen, Krankenhäusern und überall sonst mit sich bringt. „Sie beleuchtet Zusammenhänge zwischen den Themen der Theologie und Psychologie, zwischen dem Glauben, den Glaubensinhalten und der eigenen Lebensgeschichte. Sie fragt nach der Wirkung von Glaubensthemen auf unser Leben und umgekehrt, welche Bedeutung unsere Lebenserfahrungen für den Glauben haben“, erklärt Runde. So sei die Pastoralpsychologie ein Reflexionsinstrument, das „ermutigt, Fragen zu stellen, Verknüpfungen herzustellen, Glaubenssätze und Inhalte zu hinterfragen und sich selbst besser zu verstehen und Unsicherheiten ernstnimmt.“ Sie helfe Seelsorgern, christliche Antworten auf existenzielle Fragen mit Erfahrungen – auch den eigenen – zu verbinden. Ohne diesen Erfahrungsbezug würden „Worte, Sätze zu leeren Hülsen. Die Pastoralpsychologie verhilft durch Reflexion und Einbezug psychologischer Methoden und Sichtweisen, durch den Einbezug von Emotionen, Stimmungen, Gedanken, Wahrnehmungsmuster, Fantasien, Motive und Absichten, sich selber besser zu verstehen, Verbindungen wo möglich herzustellen und ermutigt gleichzeitig, Verbindungsversuche zu lassen, wo es (im Moment) nicht möglich ist.“

Dazu vermittele die Pastoralpsychologie psychologische Kenntnisse und nutze Methoden aus humanwissenschaftlichen Disziplinen. „Jedoch geht es nicht darum, reine Techniken, sondern vor allem eine reflektierte Haltung zu fördern“, betont die Fachfrau, „daher stärken wir in der Ausbildung Authentizität, Autonomie und Ich-Stärke. Das setzt eine intensive Selbstwahrnehmung und -kenntnis voraus.“ Nur so gelängen Begegnung und Kommunikation, in denen Seelsorgende die christliche Botschaft weitergeben.

Dass das seit einem halben Jahrhundert zur Seelsorge-Ausbildung im Bistum Münster gehört, ist laut Runde auch eine Konsequenz der Studentenbewegung Ende der 60-er Jahre. Deren Themen wie Aufbruch, Veränderung, Selbstbestimmung, Freiheit und Eigenverantwortung hätten auch in der Kirche einiges bewegt. Parallel habe die Auseinandersetzung mit den Humanwissenschaften in der Kirche an Bedeutung gewonnen. Man habe verstanden, dass es „ein erweitertes Knowhow im Umgang mit Menschen und Gruppen“ brauchte.

Nachdem die Verantwortlichen des Bistums Münster diese Zusammenhänge erkannt hatten, habe in Abstimmung mit ihnen Prof. Dr. Martha Fehlker die erste Auflage des Kurses entwickelt. „Mit drei Modulen und 15 Supervisionssitzungen über je zwei Wochen fing die Ausbildung im Februar 1972 an“, schildert Runde, „zunächst mit dem Titel ,Sozialwissenschaftlicher Grundkurs‘.“ 1978 richtete das Bistum eine eigene Pastoralpsychologische Abteilung ein, die im Institut für Diakonat und pastorale Dienste – damals in der Goldstraße – ihren Sitz hatte.

Seitdem habe sich die Ausbildung stetig weiterentwickelt, auf heute sieben Kurswochen und 17 Gruppensupervisionssitzungen. Auch die Inhalte seien laufend „auf das Heute hin angepasst“ worden. So leistet die Pastoralpsychologie, davon ist Runde überzeugt, einen Beitrag zur Zukunft der Kirche, indem sie zur Profilierung und Kompetenzerweiterung der Seelsorgerinnen und Seelsorger beiträgt. Gerade angesichts der Krise der Kirche, der vielen existenziellen Verunsicherungen sowie der vielen Möglichkeiten der Lebensgestaltung könnten Kompetenz und Reflexionsfähigkeit der Seelsorgenden Hilfe sein, sich in diesen komplexen Lebenswelten zu orientieren und zu entscheiden, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.

Genau daran arbeitet Reinhild Runde aus voller Überzeugung mit. „Menschen zu begleiten, zu sehen, wie sie sich entwickeln, fasziniert mich. Ich betrachte es als Geschenk, dazu beitragen zu können, wie die jeweiligen Persönlichkeiten in meinen Kursen in ihrer Persönlichkeit wachsen und reifen.“ Zunehmend fasziniere sie, dass sich nach wie vor junge Menschen für seelsorgliche Berufe entscheiden: „Die kritischen Blicke und Fragen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, benötigen ein kraftvolles Standing – daran arbeiten und selbst mit lernen zu können, empfinde ich als Geschenk des Himmels.“

Mit einem Klick auf das Bild öffnet sich das Video (YouTube) über den Jubiläums-Festakt:

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