Von Missbrauch betroffene Person rügt erfolgreich Datenschutzverletzung

, Bistum Münster

Das Katholische Datenschutzzentrum (KDSZ) in Dortmund hat einer von sexuellem Missbrauch betroffenen Person aufgrund einer Beschwerde Recht gegeben. Das KDSZ sieht eine Datenschutzverletzung durch das Bistum Münster bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs. Die entsprechende Beschwerde einer betroffenen Person hält das KDSZ für begründet. Darüber hat es das Bistum Münster am 14. Juni informiert. 

Interventionsbeauftragter: Dilemma zwischen Aufarbeitung und Datenschutz

Die betroffene Person hatte sich beim KDSZ darüber beschwert, dass das Bistum Münster Akten zur sogenannten Anerkennung des Leids nach ihrer Auffassung ohne Rechtsgrundlage und ohne datenschutzrechtlich korrekte Anonymisierung Wissenschaftlern der Universität Münster zur Verfügung gestellt habe. Die Wissenschaftler erstellten in völliger Unabhängigkeit vom Bistum die Studie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Diözese. 

Mit diesem Vorgehen hat das Bistum nach Einschätzung des KDSZ gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen und die beschwerdeführende Person in ihren Rechten verletzt. Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, bedauert, dass eine von sexuellem Missbrauch betroffene Person nach Einschätzung des KDSZ in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurde. Er sieht in dem Vorgang ein grundsätzliches Dilemma für die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs.

Frings erläutert die Hintergründe, die zum Vorgehen des Bistums geführt haben: „Für die Erstellung der Studie über den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster hat die Interventionsstelle den Wissenschaftlern die entsprechenden Akten – auch die zur Anerkennung des Leids – in den Räumen des Bistums zugänglich gemacht. Wir haben zuvor selbstverständlich in den Akten die personenbezogenen Daten der betroffenen Personen wie Name, Anschrift, Kontodaten und alle sonstigen personenbezogenen Hinweise geschwärzt. Nach Einschätzung des KDSZ hätten aber auch die Schilderungen der vom sexuellen Missbrauch betroffenen Person insoweit geschwärzt werden müssen, ‚dass keine individuellen Schilderungen um die eigentlichen Taten in den Akten zu finden gewesen wären‘.“

Für Peter Frings ist die Einschätzung des KDSZ einerseits nachvollziehbar, weil die betroffene Person durch die Presseveröffentlichungen im Nachgang der Studie der Wissenschaftler eine Retraumatisierung erfahren habe. „Das bedauern wir, und wir haben uns sofort nach Eingang des Bescheids des KDSZ mit der betroffenen Person in Verbindung gesetzt“, sagt er. Andererseits, so unterstreicht er, hätte eine umfänglichere Schwärzung, wie sie das KDSZ für notwendig hält, dazu geführt, „dass die Wissenschaftler den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster nicht so gründlich hätten aufarbeiten können“. Wenn das, was das KDSZ formuliere, der Maßstab oder der datenschutzrechtliche Rahmen für Aufarbeitung sei, werde der Kirche schnell wieder Vertuschung vorgeworfen werden. 

Das Vorgehen im Zusammenhang mit der Erstellung der Studie sei seinerzeit im Beirat des Forschungsprojektes, in dem auch mehrere Betroffene Mitglieder waren, intensiv beraten worden. Im Sinne einer größtmöglichen Transparenz hätten sich die Wissenschaftler und das Bistum nach den Beratungen im Beirat für das Vorgehen, das nun vom KDSZ als Datenschutzverletzung eingeschätzt wird, ausgesprochen. Alternative Wege, wie etwa der eines Anschreibens an alle Betroffenen mit der Bitte um Abgabe einer Einwilligungserklärung seien erwogen worden, aber als nicht zielführend angesehen worden. Zudem habe es die Befürchtung gegeben, auch ein solches Vorgehen könne retraumatisierend sein.

Die Verantwortung für das Vorgehen liege aber letztlich beim Bistum. 

Zugleich habe das KDSZ die Informationen auch an die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW weitergegeben. Diese müsse nun ihrerseits prüfen, ob die Wissenschaftler ihrerseits bei der Veröffentlichung der Daten, die sie erhalten haben, den Datenschutz verletzt hätten. Die Wissenschaftler wurden unmittelbar nach Eingang des Bescheids vom Interventionsbeauftragten des Bistums über den Sachstand informiert.

Für Frings hat die Einschätzung des KDSZ auch Konsequenzen auf das bereits gestartete Folgeprojekt der wissenschaftlichen Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster. In diesem geht es darum, weitere Einzelfallstudien zu Taten sexuellen Missbrauchs zu erstellen. „Wir haben erst einmal den Zugang des Wissenschaftlers, der hier tätig ist, zu den Akten gestoppt und werden uns der Datenschutzthematik noch einmal stellen.“ Und auch im Blick auf die Tätigkeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAK) müssten die Datenschutzfragen sehr genau geprüft werden.