5. Unternehmertreffen des Bistums Münster
"Wir müssen uns davor in Acht nehmen, dass aus einer Basisdemokratie nicht eine Trillerpfeifendemokratie wird." Das hat Klaus-Peter Schöppner am 4. Dezember in Münster betont.
Schöppner, der heute das Meinungsforschungs- und Beratungsinstitut "MENTE>FACTUM" betreibt und viele Jahre Geschäftsführer von emnid war, sprach beim 5. Unternehmertreffen des Bistums Münster. Es fand im Franz Hitze Haus statt und stand unter dem Thema "Investitionsprojekte – Planungssicherheit versus Bürgerprotest". In Vertretung von Bischof Dr. Felix Genn hatte zu Beginn Generalvikar Norbert Kleyboldt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt. In seinem Vortrag zum Thema "Strukturfairbesserungen statt Trillerpfeifendemokratie" ging Schöppner von der Beobachtung aus, dass die Kritik an Investitions- und Infrastrukturprojekten in letzter Zeit immer mehr zunehme. Lautstarke Minderheiten forderten zunehmend "ihr Recht", während die Mehrheit oft schweige.
Nach Einschätzung von Schöppner haben sich die Einstellungen der Deutschen in den vergangenen Jahren massiv geändert. Er sprach von einem "Mentalitätswandel" und von einer großen Unsicherheit im Blick auf die mittel- und längerfristige Zukunft. Erstmals gebe es in Deutschland nun einen "finanziellen Langfristpessimismus", der sich etwa darin zeige, dass in einer Umfrage 62 Prozent sagten, dass sie glauben, dass es den eigenen Kindern einmal schlechter gehen werde als ihnen selbst. Hinzu komme die Wahrnehmung, dass man glaube, sein Leben nicht mehr selbst in der Hand zu haben, sondern sehr stark von Zufällen abhängig zu sein. Begleitet werde diese Entwicklung von einer "Fragmentierung der Gesellschaft". Jeder lebe in seiner eigenen Welt, und die steigende Komplexität führe zudem dazu, dass die Menschen viele Entwicklungen und Sachverhalte nicht mehr verstünden. Im Blick auf die Politik seien viele Bürger der Auffassung, dass sie ihre wahren Probleme nicht kenne und dass ihr eine Vision fehle. "Es gibt keinen Masterplan", sagte Schöppner. Zentrale Erwartung der Bürger an die Politik sei heute nicht mehr Kompetenz in der Sache, sondern das Ausstrahlen von Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Authentizität.
Schöppner schlug einige Maßnahmen und Lösungsansätze einer "Strukturfairverbesserung" vor. Er warb für mehr Sach- statt Macht-Orientierung. Wichtig sei, den Bürgern mit Respekt zu begegnen, ihre Sorgen, Ängste und Wünsche ernst zu nehmen und einen schonenden Wandel anzustreben. Die Bürger müssten verstehen, warum welche Entscheidungen getroffen würden. Diese sollten auch mit konkreten Personen verbunden werden, in dem Sinne, dass deutlich werde: "dafür stehe ich und dafür stehe ich auch gerade." Da die Zukunft der größte Angstmacher der Deutschen sei, gelte es, einen Zukunftsplan zu entwickeln, der Sicherheit schaffe. Schöppner warb für rationales Argumentieren und aktives Fehlermanagement und warnte vor "dem Haupttreiber Emotion". "Wir sind von einer Versteh- zu einer Spürgesellschaft geworden", sagte er. Notwendig für einen Vertrauensaufbau seien Transparenz und Beteiligung: "Der Bürger will mitgenommen werden."
Im Anschluss an den Vortrag diskutierte Schöppner mit dem Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Detlef Aufderheide, mit Dr. Hans-Jürgen Brick aus der Geschäftsführung der Amprion GmbH (die Amprion ist ein Übertragungsnetzbetreiber und besitzt mit rund 11.000 Kilometern das längste Hochspannungsntz in Deutschland) und mit Volker Vorwerk, dem Leiter des Beratungsbüros "buergerwissen". Dabei machte Vorwerk deutlich, dass Bürgerbeteiligungen durchaus auch dazu führen könnten, dass bessere Lösungen erzielt würden. Dafür sei es aber wichtig, Prozesse von Anfang an offen anzugehen. Zu dieser Offenheit gehöre auch das Eingeständnis, "dass wir manches nicht wissen und dass wir die Welt nicht erklären können." Prof. Aufderheide kritisierte, dass heute viele Menschen die Moralvorstellung von Fünfjährigen hätten: "Gut ist, was für mich gut ist." Er beklagte das Schwinden eines "Gemeinsinns", der davon gekennzeichnet sein müsse, sich auch in die Interessen der anderen hineinzuversetzen. Brick betonte die Notwendigkeit in Gesprächen mit den Bürgern glaubwürdig zu sein. Wichtig sei ein Dreischritt: Information, Dialog und Beteiligung. Problematisch sei es allerdings, wenn die Information zu kurz komme, und die Bürger – ohne überhaupt genügend informiert zu sein – gleich Dialog und Beteiligung einfordern. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Martin Dabrowski von der Akademie Franz Hitze Haus.
Text: Bischöfliche Pressestelle
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