Fachtagung kirchlicher Dienstgeber und Mitarbeitervertreter in Haltern

"Immer mehr Firmen und Einrichtungen bei Caritas und Kirche stellen Mitarbeiter nur befristet ein". Aus ihrer Sicht "äußerst negative Entwicklungen" hat Petra Grütering, Vorsitzende der diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bistum Münster, am 1. Dezember in Haltern am See beschrieben: "Mittlerweile gehören auch Begriffe wie Fremdfirmen, Leiharbeit und Werkverträge zu Kirche und Caritas".

Grütering sprach zur Eröffnung der 13. Gemeinsamen Fachtagung für Dienstgeber und Mitarbeitervertreter, die unter dem Titel "Normalarbeitsverhältnis: Ja!? – Vielfalt der Arbeitsformen: Nein!?" stand. Das Treffen in der Heimvolkshochschule Gottfried Könzgen auf dem Annaberg fand erneut sehr großen Anklang: Mehr als 100 Dienstgeber- und Mitarbeitervertreter aus der ganzen Diözese waren dabei.

"Das klassische Normalarbeitsverhältnis gibt es nicht mehr und es gibt auch keinen Weg dorthin zurück!" – Mit dieser klaren Einschätzung begann Prof. Dr. Ulrich Münkenberger vom Zentrum für Europäisches Recht der Universität Bremen seinen Beitrag zur Tagung. Jede dritte weibliche und jeder vierte männliche Mitarbeiter sei heute atypisch beschäftigt.
Tendenziell hätten die Älteren die unbefristeten, langjährig ununterbrochenen Vollzeitverträge bis zum Ruhestand, während viele Jüngere individuelle Verträge bekämen und nicht mehr unter den Schutz von Tarifvereinbarungen fielen erklärte Münkenberger. Der Staat förderte Beschäftigungsverhältnisse in schlechterer Schutzform, etwa Solo-Selbständigkeit oder Leiharbeit.

"Das Kernproblem ist die Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft", brachte Münkenberger seine Position auf den Punkt: "Ein kleiner werdender Teil der Beschäftigten bleibt im geschützten Arbeitsverhältnis, ein größerer Teil der Arbeitnehmer wird stigmatisiert, raus-segmentiert – das sind die potentiellen AFD-Wähler!" Um hier gegenzusteuern, riet Münkenberger den Interessenvertretern, die Beschäftigten am Rande im Blick zu haben und sich dafür einzusetzen, dass soziale Sicherungssysteme entstünden, "die nicht an einen Arbeitnehmerstatus oder ein Beschäftigungsverhältnis geknüpft sind."

Differenziert äußerte sich Prof. Dr. Jacob Joussen, Jurist von der Ruhr-Universität Bochum. Der Teilzeitarbeit könne man mit Wahlfreiheit, Flexibilität, besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchaus Positives abgewinnen, auch wenn sie überwiegend von Frauen genutzt werde. Das eigentliche Problem oder der eigentliche Skandal beim Teilzeitrecht sei die geringfügige Beschäftigung: "Die so Beschäftigten werden weitgehend aus den Sozialsystemen herausgedrängt", stellte Joussen klar, "hier liegt die größte Herausforderung, etwas zu verbessern."

Auch zum Thema befristete Arbeitsverhältnisse sandte Joussen unterschiedliche Botschaften. Befristungen mit Sachgründen seien ein wichtiges Instrument in der Personalplanung. Dabei erhob Joussen allerdings die Forderung, der Arbeitgeber müsse den Befristungsgrund von vornherein angeben. Sachgrundlose Befristungen lehnte Joussen eher ab. Hier stehe der Kirche gut an, zu den Lehren der katholischen Soziallehre zu stehen und sich eindeutig gegen sachgrundlose Befristungen zu positionieren, wie es die kirchlichen Kommissionen in Limburg getan hätten.

"Der Schiffsjunge wird gegessen, der Schwächste muss dran glauben!" – Deutliche Worte fand auch Prof. Dr. Peter Schüren, Jurist von der Westfälischen Wilhelms Universität Münster mit Blick auf die "Agenda 2010" und sein Thema "Leiharbeit, Fremdfirmen, Werkverträge". Leiharbeit geschehe auf Kosten der Beschäftigten, während die Arbeitgeber billige Möglichkeiten zum Personalauf- und -abbau und damit mehr Flexibilität bekämen.

Selbst die neuesten Gesetzesnovellierungen ermöglichten Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen, beklagte Schüren. Die im April 2017 in Kraft tretenden Regelungen bewirkten lediglich, dass Leiharbeiter spätestens alle neun Monate zu anderen Entleihern rotierten und drei Monate später wieder zum Einstiegsentgelt zum Hauptentleiher zurückkämen: "Das ist ein schäbiges Gestaltungsmittel", wertete Schüren. Er sehe Leiharbeit allenfalls als "Möglichkeit zur Abdeckung von Bedarfsspitzen."
Am Nachmittag der Fachtagung vertieften die Teilnehmer den Austausch zu den Themen Teilzeit/Geringfügig Beschäftigte, Leiharbeit/Fremdfirmen/Werkverträge und Befristete Arbeitsverhältnisse in drei Arbeitsforen. Dabei stand im Mittelpunkt, was Dienstgeber- und Mitarbeitervertreter konkret tun können, wenn sich Entwicklungen etwa in Richtung Outsourcing anbahnen.

Bildzeile: Joussen: "Geringfügig Beschäftigte werden weitgehend aus den Sozialsystemen herausgedrängt", stellt Prof. Dr. Jacob Joussen fest.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 02.12.16
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Fotos: Bischöfliche Pressestelle/Martin Wißmann