Friedenswallfahrt versch. Religionen
Das Miteinander und der Wunsch nach Frieden standen im Mittelpunkt der interreligiösen Wallfahrt am 28. August im niederrheinischen Kevelaer.
Der Jahrestag der historischen ,I have a dream‘-Rede des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King, bei der er 1963 in Washington von seinem Traum sprach, dass alle Menschen einmal friedlich miteinander leben werden, war ein markanter Zeitpunkt für dieses Treffen der Religionen.
`Frieden ist kein frommer Wunsch, Frieden kann Wirklichkeit werden, wir müssen alle nur jeden Tag daran arbeiten und uns darum kümmern´, betonte Rupert Neudeck, einer der Organisatoren der Wallfahrt und Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme. `Lassen wir uns von diesem Ort inspirieren´, forderte der Kevelaerer Wallfahrtsrektor, Domkapitular Rolf Lohmann, die mehr als 200 Teilnehmer auf. Hier, wo nach den Wirren des 30-jährigen Krieges der Bilderstock mit der ,Trösterin der Betrübten‘ entstanden sei, solle Maria als Königin der Friedens, die Menschen ermutigen, den `Frieden in die Welt zu tragen´.
Die Wallfahrer hatten sich symbolisch auf den Weg gemacht, jede Religionsgemeinschaft von einem anderen Ausgangspunkt aus. Auf den Stufen der Basilika begann dann ein Programm, in dem Muslime, Christen und Juden sich individuell dem Thema Frieden annäherten. Wichtig sei der respektvolle Umgang, hatte Lohmann im Vorfeld betont: `Wir werden zusammen sein, den Anderen hörend und schauend wahrnehmen, kennenlernen und achten´.
Ahmad Aweimer, Dialog- und Kirchenbeauftragter des Zentralrats der Muslime in Deutschland aus Köln hatte seinen musizierenden Sohn und einen Freund mitgebracht. Die beiden jungen Leute begeisterten mit einem selbst geschriebenen Lied über die Mutter. `Vieles im Leben ist ersetzbar, aber die Mutter gibt es nur einmal´, schlugen sie in arabischer, deutscher und türkischer Sprache eine Brücke zur Mutter Gottes und den Müttern, die in Kriegen um ihre Kinder bangen. Im Anschluss sangen sie eine Sure aus dem Koran. Aweimer erläuterte den Text: Er handele von den Söhnen Adams und dem von Anbeginn tobenden Kampf zwischen Gewalt und Frieden. In der Auseinandersetzung von Kain und Abel siege aus Allahs Sicht der, der friedfertig bleibe. `Ich kann nicht mit Krieg und Gewalt gewinnen´, sei die Aussage.
Aweimer forderte eine umfassende Friedensinitiative für den Nahen Osten und wünschte sich: `Möge Gott der Erhabene allen Menschen den Frieden bringen´.
Rupert Neudeck führte durch das Programm, das musikalisch unter anderem die Sängerin Graziella Schazad begleitete. Die 32-jährige Berlinerin ist die Tochter einer deutsch-polnischen Mutter und eines afghanischen Vaters. Sie zeigte sich sehr berührt von dem aufmerksamen Zuhören der Menschen. `So lange wir fühlen, ist alles gut´, stellte sie fest.
David Caspi von der jüdischen Gemeinde in Duisburg brachte den Wallfahrtsteilnehmern die jüdischen Glaubenstraditionen nahe. Der gebürtige Israeli sprach auf Hebräisch und Deutsch. Am Vorabend des Sabbats nahm er diesen von Gott gegebenen Ruhetag in den Blick: `Der Sabbat schafft einen Moment der Ruhe und des Friedens in einer unfriedlichen Zeit.´ Solche Momente brauche die Gesellschaft. Die Besinnung auf Gott helfe, zu sich selbst zu finden. Insoweit sei der Sabbat eine großartige Tradition. Wenn man Frieden schaffen wolle, müsse man Ängste und Vorurteile beseitigen. Dazu brauche man Zeiten der Ruhe. `Gottes Friede und Freude sollen in unsere Wohnungen und Häuser kommen´, wünschte Caspi.
Für die Christen sang der Familienchor der Wallfahrtskirche Lieder vom Frieden, trugen Menschen verschiedenen Alters die Seligpreisungen der Bergpredigt vor, und eine Ordensschwester zitierte das dem Heiligen Franziskus zugeschriebene Gebet ,Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens‘. Einer der Höhepunkte war der Auftritt des Basilika-Organisten Elmar Lehnen, der unterschiedliche Kulturen musikalisch zusammenbrachte. Begleitet von Graziella Schazad an der Geige, spielte er auf einem Kotamo, einem indischen Saiteninstrument, das drei Instrumente aus drei Kulturkreisen in einem Klangkörper vereinigt. Dessen beruhigenden, meditativen Klängen stellte Lehnen eine Urform des christlichen Gesangs entgegen, den Choral. So wurde die Idee des Tages deutlich: Religionen und Kulturen zusammen- und bei aller Verschiedenheit gemeinsam für den Frieden zum Klingen bringen.
Rupert Neudeck fasste das zusammen: `Wir wollen, dass der Weltfrieden ausbricht.´ Das gehe nur durch den persönlichen Einsatz jedes Einzelnen: `Wir können in einer Notsituation nicht immer erst nach dem Zuständigen rufen, wir müssen selber tätig werden.´
Im Anschluss gab Domkapitular Rolf das Friedenslicht aus der Gnadenkapelle an die Vertreter der drei abrahamitischen Religionen weiter. Die Vertreter von Judentum, Christentum und Islam zogen damit zur neu errichteten Friedensstele vor dem Pilgerzentrum. Sie ist gegründet auf Steinen aus der ganzen Welt und zeigt Hände, die sich aus einer Weltkugel nach oben streckenden und den Schutzmantel der Muttergottes berühren. `Diese Stele soll stets an den Wunsch nach Frieden erinnern´, betonte Lohmann. Zum Abschluss übertrugen die Organisatoren die Rede von Martin Luther King auf den Platz vor der Stele.
Im Kevelaerer Friedensappell, der am Schluss verlesen wurde, machten die Vertreter der Religionen ihre Ziele deutlich. Man wolle sich inspirieren, nicht missionieren oder dominieren. Der Appell erinnert an die Menschen, die weltweit Verfolgung und Terror erleiden, und formuliert die Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander. `Wir wollen einstehen für eine friedlichere, respektvollere und mitmenschlichere Zukunft´, heißt es in dem Papier. Es endet mit dem Wunsch, der die Menschen an diesem Tag in Kevelaer einte: `Möge Gott unserer Welt durch sein Wirken in uns wirklich das wunderbare Geschenk des Friedens machen. Damit der Traum Wirklichkeit unseres Alltags in allen Kontinenten und Religionen wird.´
Text: Bischöfliches Generalvikariat
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