Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938

Sechs Kerzen flackern an diesem Mittwochvormittag in der Synagoge in Münster. Sie erinnern an die mehr als sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens, die der Terrorherrschaft der Deutschen Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Zum ersten Mal flächendeckend eskaliert ist die Gewalt gegen jüdische Mitbürger in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In der Reichspogromnacht. Auch in Münster. "Die Synagoge, 1880 eingeweiht, einst ein Ort des Lernens, des Gesangs, des Gebets und der Freude wurde zu einem schwarz verkohlten Haufen ein hohläugigen Ruine", erinnert sich Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster.

Sich erinnern – darum ging es im Rahmen der Gedenkstunde zum 9. November 1938 in der Synagoge in Münster. Und das in mehrfacher Hinsicht. Eingeladen hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Münster unter Vorsitz von Ruth Frankenthal (jüdische Vorsitzende), Pfarrer em. Jürgen Hülsmann (evangelischer Vorsitzender) und Domkapitular Dr. Ferdinand Schumacher (katholischer Vorsitzender).

"Der Kern des Erinnerns ist das Erzählen. Das Weitergeben des Erlebten", machte Prof. Dr. Lutz Doering vom Institutum Judaicum Delitzschianum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in seiner Ansprache deutlich. Man müsse nicht selbst dabei gewesen sein, um zu erzählen. "Jeder kann jeden Tag helfen, das Erinnern lebendig zu halten." Der Theologe hatte seine Ansprache unter das Thema gestellt, wie Erinnern unter neuen Herausforderungen wach gehalten werden und auch neue Wege gehen kann. "Die Zeitzeugen, die die Shoa, den Holocaust, selbst erlebt haben, vollenden in dieser Zeit ihr Leben. Auch die neuen Medien stellen uns vor große Herausforderungen." Doering plädiert dafür neue Wege des Erinnerns zu beschreiten. "So können wir die Geschichte an die nächste Generation weitergeben", betont er.

"Wer der Geschichte sorgfältig zuhört, dem ist sie eine gute Lehrmeisterin", sagte Regierungspräsident Prof. Dr. Reinhard Klenke in seinem Grußwort. Auch er betonte, dass das Wissen und die Erinnerung der Zeitzeugen an die jüngeren Generationen weitergegeben werden müsse. "Wir müssen davon erzählen. Die Taten der Nationalsozialisten sind so unvorstellbar, so monströs, dass man sie leicht verdrängt. Und wenn man das tut, dann hat das Böse eine Chance zurückzukehren." Er verglich die Situation heute mit der Situation der Weimarer Republik vor der Machtergreifung durch die Nazis im Jahr 1933. "Vieles ist ähnlich. Aber wir haben etwas voraus. Wir haben die Erfahrung, was das Böse ist. Nämlich die fehlende Achtung vor der Würde anderer. Und wir wissen, wie das Böse kommt. Leise, unauffällig, getarnt. Es wird toleriert und lebt davon. Und wir wissen, wo es hinführt. In die moralische und die physische Katastrophe."

Parolen, Klischees und Vorurteile seien der Beginn von Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, machte Sharon Fehr, deutlich und fügte hinzu: "Über dieses Stadium sind wir aber bereits längst hinaus. Wir sind mittendrin im Kampf gegen Ausgrenzung und Verunglimpfung." Er appellierte: "Jeder von uns hat es täglich in der Hand, sich für Schwächere und gegen Unrecht einzusetzen." Fehr zeigte sich angesichts des Wahlsiegs des Republikaners Donald Trump in den USA bestürzt: "Das ist erschreckend."

Angesichts der zahlreichen Teilnehmenden an der Gedenkstunde zeigte die Fehr erfreut: "Vielen ist das Erinnern wichtig. Das ist ein schönes Zeichen." Neben Regierungspräsident Prof. Dr. Reinhard Klenke waren auch Münsters Stadtdechant Jörg Hagemann, Münsters Bürgermeisterin Beate Vilhjamsson sowie zahlreiche Vertreter des Stadtrats zu Gast.

Bildzeile: Insgesamt sechs Kerzen wurden am Mittwoch in der Synagoge in Münster entzündet. Im Rahmen der Gedenkstunde zum Jahrestag der Novemberpogrome vom 9./10. November 1938 erinnerten sie an die mehr als sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten (1933-1945) getötet wurden. Das Bild zeigt den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Münster, Sharon Fehr, und den evangelischen Vorsitzenden der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Münster, Pfarrer em. Jürgen Hülsmann während des Entzündens der Kerzen.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 09.11.16
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de