Ein schwungvoller Rhythmus erfüllt die Kapelle der Landvolkshochschule (LVHS) Freckenhorst. Die Melodie ist unverkennbar: „Summer Nights“ aus dem Musical Grease. Niemand singt, doch in vielen Köpfen läuft der Text leise mit. Stattdessen füllen Querflöte, Klavier, E-Gitarre, Klarinette, Geige, Schlagzeug, Cello, Akkordeon, Saxophon, Trompete und Posaune den Raum mit Klang. Das Seniorenorchester probt – und bringt damit den Sommer ein kleines Stück näher.
Alle zwei Wochen treffen sich die Musikerinnen und Musiker in der LVHS, um gemeinsam zu proben – ein Ensemble, das so in Deutschland wohl einmalig ist. „Es ist schon besonders, dass ein Bildungshaus wie die LVHS ein eigenes Seniorenorchester hat – und das seit mittlerweile 30 Jahren“, sagt LVHS-Direktor Michael Gennert nicht ohne Stolz. Das sei durchaus etwas, worauf auch andere Bildungshäuser mit einem gewissen Neid blicken würden.
Gegründet wurde das Orchester 1995 von Ulla Kupka – mit gerade einmal vier Mitgliedern: Geige, Klavier und zwei Akkordeons. Heute kommen die rund 25 Mitspielenden aus dem ganzen Münsterland – von Warendorf über Drensteinfurt und Münster bis Lengerich. Die Motivation: Musik, Gemeinschaft, Herausforderung – und Lebensfreude.
„Ich habe 50 Jahre keine Gitarre mehr in der Hand gehabt“, erzählt ein Musiker lachend. „Dann hat mich jemand gefragt: 'Du hast doch früher mal gespielt – willst du nicht wieder anfangen?' Und dann ging das ganz schnell.“ Dirigentin Uta-Maria Gennert-Stöcker leitet das Ensemble seit 2018. Die Kirchenmusikerin und Sängerin bringt nicht nur ihre musikalische Expertise ein, sondern auch viel Gespür für die besonderen Bedürfnisse eines Seniorenorchesters. „Ich bin von Natur aus sehr temperamentvoll“, sagt sie mit einem Lachen. „Da muss ich manchmal langsamer, deutlicher und lauter sprechen. Wichtig ist: Es soll allen Freude machen.“
Dass sie das ernst meint, hört man. Uta-Maria Gennert-Stöcker fordert ihre Musiker – mit einem Repertoire von Klassik über Pop bis zu Volksliedern. Gerade Letztere kommen bei den regelmäßigen Auftritten, zum Beispiel in Altenheimen oder Krankenhäusern, besonders gut an. „Fünf bis sechs Auftritte im Jahr schaffen wir. Wir spielen dann eine gute Stunde Programm – das ist für alle machbar, aber auch eine schöne Herausforderung.“
Querflötistin Ulrike Heinemann ist seit 2019 dabei. Für sie ist die Gemeinschaft der entscheidende Faktor: „Mit Querflöte alleine zu Hause zu spielen, das macht mir weniger Spaß – da klingt es im Ensemble einfach viel schöner.“ Stefan Kühler aus Drensteinfurt ist überzeugt, dass das gemeinsame Musizieren die beste Medizin gegen das Altwerden ist: „Man ist zusammen, muss nach links und rechts hören, das fördert das Miteinander.“
Ob langjährige Musikliebhaber oder Neulinge, die ihr Instrument erst im Ruhestand entdeckt haben – das Orchester bietet für alle einen Platz. Eine Schlagzeugerin hat mit 80 Jahren Unterricht genommen, andere spielen ihr Instrument schon weit mehr als ihr halbes Leben. Für Uta-Maria Gennert-Stöcker ist das genau das Faszinierende an ihrer Arbeit: „Die Orchestermitglieder wollen sich weiterentwickeln, etwas aus sich machen. Und sie wollen andere mit ihrer Musik erfreuen. Das finde ich einfach großartig.“
In der Kapelle klingt „Summer Nights“ gerade aus. Schiefe Töne waren kaum zu hören, der flotte Rhythmus hat angesteckt, ein Lachen geht durch die Reihen – und dann hebt Uta-Maria Gennert-Stöcker schon wieder den Taktstock. Das nächste Stück wartet.