Themenabend im Franz Hitze Haus informiert über den
Geschäftsmäßige Sterbehilfe ist in Deutschland künftig strafbar – so hat es der Bundestag Anfang November entschieden.
Dass das Interesse an diesem Thema aber nach wie vor hoch ist, zeigten die rund 80 Besucher der Veranstaltung "Wer stirbt natürlich? Natürlicher Sterbeprozess oder Hightech-Medizin" am 16. November in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster.
Der Fortschritt macht es möglich, dass die Menschen heute so alt werden wie keine Generation vor ihnen. Damit ist die Hoffnung auf ein langes und selbstständiges Leben verbunden. Auf der anderen Seite haben viele Menschen Angst, dass sie ihre Autonomie verlieren und unerträglich leiden müssen. Nicht selten entsteht daraus der Wunsch, vorzeitig und auf eigenen Wunsch aus dem Leben scheiden zu können.
Die Unterschiede zwischen passiver, indirekter und aktiver Sterbehilfe erklärte Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert. Die Medizinethikerin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sprach aus medizinethischer Sicht über den "natürlichen" Tod. "Die passive Sterbehilfe ist eine rechtlich und ethisch ohne Einschränkungen erlaubte Sterbehilfe", betonte sie. Aktive Sterbehilfe sei dagegen "pragmatisch unnötig und politisch unverhandelbar". Strittig sei weiterhin die ärztliche Suizidhilfe.
"Die Grenze zwischen einem natürlichen und einem nicht natürlichen Tod ist manchmal unscharf", sagte sie. Wenn jemand sterbe, weil sein Beatmungsgerät nach dem Schlaganfall abgestellt oder die Sondenernährung aufgrund seiner finalen Demenz einstellt wurde, sterbe er eines natürlichen Todes. Dennoch fühle sich dies für denjenigen, der beispielsweise über Beatmung oder künstliche Ernährung entscheiden muss, manchmal nicht so an. In einem weiteren Schritt erläuterte Schöne-Seifert ethische Aspekte einer ärztlichen Sterbehilfe. So spiele das Selbstbestimmungsrecht bei der Befürwortung von Suizid- und aktiver Sterbehilfe eine zentrale Rolle. "Wir müssen überlegen, was uns Selbstbestimmung in anderen Bereichen bedeutet", betonte die Medizinethikerin.
Gibt es ein Recht auf einen natürlichen Tod im Gegensatz zum durch Apparatemedizin herausgezögerten künstlichen Tod? Gibt es Grenzen eines selbst bestimmten Sterbens? Mit diesen Fragen setzte sich Prof. DDr. Antonio Autiero, Moraltheologe aus Berlin, im zweiten Teil auseinander. Er erläuterte eine Entwicklung in der Gesellschaft: Das Sterben und der Tod würden sich mehr und mehr in den medizinischen Bereich verschieben. "Wir verhalten uns, wenn wir mit dem Tod zu tun haben, sehr hygienisch, haben fast schon Berührungsängste", betonte Autiero.
Dabei sei die Begleitung von Sterbenden – von der Behandlung bis zur Fürsorge –ein wichtiger Prozess. Dieser verlange allerdings, die eigenen Grenzen zu kennen. "Letztlich können das Tun und das Unterlassen von Handlungen aber nicht nur im Spiegel der Schwarz-Weiß-Malerei gesehen werden", sagte der Moraltheologe. Insgesamt bleibe die Humanisierung des Sterbens "eine Herausforderung, eine Aufgabe, eine Provokation".
Autiero erläuterte drei Zugänge der Moraltheologie zum natürlichen Tod: So gebe es den Weg des Ethos, der die Autonomie jedes Menschen fördern wolle. "Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ist eine ideelle Grundlage", sagte Autiero. Der Weg des Pathos bedeute in dieser Debatte, den Weg mit den Sterbenden zu gehen, die Zeit auszuhalten, ihre Sprache zu verstehen. So sei der Hospizbereich ein Ausdruck zwischenmenschlicher Solidarität. Beim dritten Zugang, dem Weg des Gesetzes, des Nomos, sei die Rechtspolitik gefragt. Sie müsse Kriterien definieren und Rahmenbedingungen schaffen, die es den Menschen ermögliche, eigenverantwortlich den Weg eines würdevollen Sterbens zu gehen. Diese Zugänge dürften aber nur eine Provokation bleiben, die zum Weiterdenken anregen solle, gab er den Anwesenden mit auf den Weg.
Die Veranstaltung war der zweite Teil einer kleinen Reihe zum Schwerpunktthema "Autonomie am Lebensende" in der Akademie Franz Hitze Haus. Bereits am 12. Oktober hatte ein Vortragsabend unter dem Motto "Selbstbestimmtes Sterben? Assistierter Suizid aus philosophischer und moraltheologischer Sicht" stattgefunden.
Text: Bischöfliche Pressestelle
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