250 Juristen diskutieren über Reproduktionsmedizin

, Bistum Münster

Der Gesetzgeber muss handeln und das aus dem Jahr 1991 stammende Embryonenschutzgesetz an heutige wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen: Das haben beim Juristentreffen des Bistums Münster am 19. September in Münster die Referenten Prof. Dr. Ricardo Felberbaum und Prof Dr. Gernot Sydow gefordert. Felberbaum ist Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Reproduktionsmedizin als einem Schwerpunkt am Klinikum Kempten im Klinikverbund Kempten-Oberallgäu. Sydow arbeitet am Institut für internationales und vergleichendes öffentliches Recht der Universität Münster.

 

Referenten und Veranstalter (von links): Ricardo Felberbaum, die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger, Felix Genn, Ger-not Sydow, Akademiedirektor Antonius Kerkhoff und Fabian Wittreck.

Über medizinische und rechtliche Aspekte der Reproduktionsmedizin diskutierten (von links) Ricardo Felberbaum, die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger, Felix Genn, Gernot Sydow, Akademiedirektor Antonius Kerkhoff und Fabian Wittreck.

© Bistum Münster

Auf Einladung von Bischof Dr. Felix Genn nahmen rund 240 Rechtsanwälte, Richter, Notare und Justitiare aus dem gesamten Bistum an dem jährlich stattfindenden Treffen in der Akademie Franz Hitze Haus teil. Es stand unter dem Titel „Reproduktionsmedizin in Deutschland“.

In der Begrüßung sagte Genn, die Reproduktionsmedizin habe viele sonst kinderlose Menschen glücklich gemacht und anderen überhaupt erst das Leben ermöglicht. Zunehmend werde Fortpflanzung als „Teil des Lebensentwurfes, der geplant und gestaltet werden kann“, betrachtet. Zu fragen sei, ob es ein Recht – nicht ein berechtigtes Interesse – auf eigene Kinder gibt. Für die Reproduktionsmedizin müsse das Wohl des Kindes Gradmesser sein. „Jeder Mensch ist ein Geschenk, nicht nur zu Beginn des Lebens, sondern in seinem ganzen Lebenslauf“, betonte Genn, „das Bewusstsein dafür muss die Kirche wachhalten.“

Die medizinische Praxis stellte Felberbaum dar. Nach einem Abriss der Meilensteine der Reproduktionsmedizin erläuterte er, bei welchen körperlichen Störungen bei Mann oder Frau sie eingesetzt wird. Felberbaum nahm eine Zahl von etwa 800.000 reproduktionsmedizinischen Behandlungen jährlich in Deutschland an, bei 1,8 Millionen weltweit. Danach informierte er über Entstehung und Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes. Er unterstrich, dass mit der Zahl der übertragenen Embryonen das Risiko einer komplizierten Mehrlingsschwangerschaft steige. Um diese zu vermeiden, sprach sich der Fachmann für den selektiven Embryonentransfer aus. Dabei wird nur der Embryo in die Gebärmutter eingesetzt, der nach morphologischen Kriterien die größten Chancen hat, zum lebensfähigen Menschen zu werden.

Die Rechtslage erläuterte Sydow. In Deutschland seien die Regelungen im Vergleich zu anderen Ländern eher restriktiv, also begrenzend. Rechtlich umstritten seien vor allem die Furcht vor einer gespaltenen Mutterschaft als Argument für das Verbot von Eizellenspenden, die ethisch problematische Leihmutterschaft und der von Felberbaum befürwortete selektive Embryonentransfer. „In Deutschland führen wir diese ethische Diskussion als juristische Diskussion“, kritisierte der Jurist. Er forderte eine breite offene gesellschaftliche Debatte über die strittigen Punkte. Denn es gebe Regelungsbedarfe: „Wir müssen Rechtssicherheit bei Auslands-Leihmutterschaften schaffen und die Sinnhaftigkeit des Verbots der Eizellenspende klären.“

Das Vorsichtsprinzip der deutschen Rechtsprechung sei richtig, aber angesichts heutiger medizinischer Erkenntnisse müssen einige Vorschriften auf den Prüfstand. „Ein Kind ist ein Geschenk Gottes“, sagte Sydow, „aber dass eine pluralistische Gesellschaft das mehrheitlich so sieht, kann man nicht erwarten, sondern dieser Gedanke muss immer neu eingebracht werden.“

Nach Sydows Ausführungen rundete eine lebhafte Diskussion des Publikums mit den beiden Referenten das Juristentreffen ab. Deren Moderation übernahm Prof. Dr. Fabian Wittreck von der Universität Münster.

Anke Lucht