250 Mediziner beim Ärztetreffen mit Bischof Genn
Nicht die Zahl psychischer Erkrankungen ist in den letzten Jahren gestiegen, sondern die Inanspruchnahme von Behandlungen dieser Erkrankungen. Das hat Prof. Dr. Volker Arolt von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Münster am 22. Mai 2013 in der Akademie Franz-Hitze-Haus betont.
Prof. Arolt war Referent beim traditionellen Ärztetreffen im Bistum Münster, zu dem Bischof Dr. Felix Genn eingeladen hatte. Rund 250 Mediziner folgten der Einladung des Bischofs. Im Mittelpunkt stand das Thema "Zunahme psychischer Störungen im Kontext beruflicher Belastungen? Fakten und Fiktionen, Ursachen und Wege der Heilung".
Bischof Genn sagte in seiner Begrüßung, dass es auch bei Seelsorgerinnen und Seelsorgern Burnout gebe. Oft frage er sich, welches die tieferen Ursachen hierfür seien und ob es nicht auch mit Phänomenen geistlicher und geistiger Natur zusammenhänge. Pfarrer Dr. Ludger Winner, im Bischöflichen Generalvikariat in Münster für die Akademikerseelsorge zuständig, führte in die Thematik des Treffens ein. Er betonte, dass insbesondere der Siegeszug der IT-Technologie den Arbeitsdruck erhöht habe. Vor allem die ständige Erreichbarkeit durch Handys und die technische Vernetzung schaffe "eine neue Sorte von Arbeitssklaven, die unterschwellig fortwährend unter Strom stehen." 2010 seien etwa nach Angaben der AOK in Deutschland knapp 100.000 Menschen mit insgesamt mehr als 1,8 Millionen Fehltagen wegen eines Burnouts krankgeschrieben worden. Vor dem Hintergrund dieser "Fehlentwicklung" gelte es, sich Fragen zu stellen nach dem Umgang mit der eigenen Lebenszeit, nach dem Setzen von Prioritäten und nach der Grenze zwischen hohem Beanspruchtsein und Überfordertsein, forderte Pfarrer Winner.
Prof. Arolt ging in seinem Referat von der gerade auch in den Medien immer wieder aufgestellten Behauptung aus, die Zahl psychischer Erkrankungen sei in den letzten Jahren, insbesondere durch eine Zunahme des Stresses im Beruf, deutlich gestiegen. Arolt wies dagegen anhand zahlreicher Untersuchungen nach, dass es weder in Deutschland noch in Europa in den letzten Jahrzehnten eine nachweisbare Zunahme von psychischen Erkrankungen oder Depressionen gegeben habe. Gestiegen sei allerdings die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im Kampf gegen diese Krankheiten und folglich auch die Zahl der Krankschreibungen von Arbeitnehmern aufgrund dieser Krankheiten. Dies hänge vor allem mit der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und mit einer verbesserten Diagnostik (insbesondere durch die Hausärzte) zusammen, sagte Arolt. Er stellte allerdings die Frage, ob nicht auch heute noch nur "die Spitze des Eisbergs", also besonders schwere psychische Erkrankungen, überhaupt wahrgenommen und erkannt werde. Wie die Situation bei weniger schweren Erkrankungen sei, sei nicht wirklich klar. Hier brauche es eine deutlich bessere medizinische Versorgung.
Arolt sagte weiter, dass eine hohe Arbeitsbelastung in Verbindung mit geringen Möglichkeiten, diese Belastung zu verringern und fehlender Anerkennung für die erbrachten beruflichen Leistungen, das Burnout- und Depressionsrisiko erhöhe. Hier könne mit medizinisch-psychologischen Maßnahmen und auf arbeitsökonomischer Ebene, etwa durch Stressbewältigungsprogramme in Unternehmen, erfolgreich gegengewirkt werden. Allerdings, betonte Arold auch, dass es eben der beruflichen Überlastung noch viele weitere Risikofaktoren für psychische Erkrankungen gebe. Er nannte unter anderem Konflikte im privaten Umfeld, körperliche Erkrankungen, die Vereinsamung – gerade auch von älteren Menschen – und die Arbeitslosigkeit. "Wenn wir unsere soziale Verantwortung ernstnehmen, müssen wir diesen Entwicklungen entgegenwirken, die in die Verelendung von Teilen unserer Gesellschaft führen", forderte Arolt.
Text: Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
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