Die Gespräche beginnen nicht selten mit Tränen der Ratsuchenden. „Ich kann nicht mehr“, hören die fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schuldnerberatung des Sozialdienstes der katholischen Frauen (SkF) in Ibbenbüren dann. Oder: „Ich bin am Ende.“ Die Ratsuchenden stehen tatsächlich oft am Ende eines langen Wegs in die Überschuldung. Der hat sie an den Rand ihrer Existenz gebracht hat und belastet sie emotional enorm.
„Schuld hat immer auch etwas mit Schuldgefühlen zu tun“, sagt Bernadette Kleine. „Diesen Leidensdruck kann ich ihnen nicht einfach so nehmen.“ Die Schuldner- und Insolvenzberaterin des SkF Ibbenbüren weiß aber, dass sie nicht einfach nur auf die Zahlen schauen darf. „Wir wollen die gesamte Situation in den Blick nehmen.“ Was waren die Auslöser? An welchen Punkten gab es Fehlentscheidungen? Welche Entwicklungen hatten Einfluss? Aber eben auch: „Welche persönlichen Ressourcen bringen die Ratsuchenden mit, um die Situation zu meistern und ihnen wieder Selbstwertgefühl zu geben?“
Die Wege bis zum ersten Kontakt mit der Beratungsstelle sind verschieden. Da gibt es den Handwerker, der akut seine Kreditraten für das Haus oder das Auto nicht mehr zahlen kann. Da gibt es die Familie, bei der sich über Jahre finanzielle Verpflichtungen angehäuft haben. Oder die Seniorin, die ihr bisheriges Leben mit ihrer kleinen Rente nicht mehr bezahlen kann. „Irgendwann gibt es dann einen Punkt, an dem die Betroffenen vor ihrer Situation nicht mehr weglaufen können“, sagt Bernadette Kleine. „Wenn sie keinen Dispo-Kredit mehr bekommen, Lebensmittel nicht mehr eingekauft werden können oder die Wohnung gekündigt wird, weil Mietzahlungen ausstehen.“
Es gibt Auslöser für die Überschuldung, die sich immer wieder finden. „Krankheit, Trennung oder Sucht“, sagt Bernadette Kleine. „Die können richtige Brandbeschleuniger sein.“ Gerät das Leben aus den Fugen, steigt die Gefahr, finanziell unter Druck zu geraten. „Gibt es bereits Vorbelastungen oder fehlt der soziale Rückhalt, kann es schnell zu Problemen mit den Verbindlichkeiten kommen.“
Wer zum SkF kommt, kann nicht einfach seine Situation abladen und hoffen, sie möglichst schnell über ein Insolvenzverfahren zu retten. „Es gibt viele Wege, aus der Überschuldung“, sagt Bernadette Kleine. „Gespräche mit Gläubigern, Suche nach Beihilfen, Umdenken im Umgang mit Geld …“ Wichtig ist den Mitarbeitenden des SkF, dass die Ratsuchenden den Willen zur Veränderung mitbringen, selbst an ihrer Situation arbeiten wollen. „Was würde es bringen, sie aus der akuten Lage zu befreien, sie aber danach wieder in der Überschuldung zu erleben, weil alte Mechanismen gegriffen haben.“
Die eigene Motivation der Klienten wird gleich zu Beginn des gemeinsamen Weges betont. „Voraussetzung ist, dass sie ihre finanziellen Belastungen selbst sortieren und uns vorlegen“, sagt die Schuldner- und Insolvenzberaterin. „Klassisch ist da die Plastiktüte, in der sie alle Briefe und Schreiben gesteckt haben, ohne sie zu öffnen – aus Angst und Überforderung.“ Die Plastiktüte ist manchmal auch eine Schublade oder ein Küchenschrank. Gemein ist diesen Orten, dass sich dort Rechnungen und Mahnungen türmen. „Sie können sie uns nicht einfach auf den Tisch schütten – erst wenn sie all diese einmal selbst in die Hand genommen und verstanden haben, beginnt unsere gemeinsame Arbeit.“
Und die geht oft über Wochen, manchmal Monate. Anträge, bürokratische Unterstützung, rechtliche Hilfen gehören dazu – manchmal ist es aber auch einfach nur das Gespräch, das Mut macht und den Klienten Druck nimmt. „Nicht selten hören wir dann einen befreienden Seufzer“, sagt Bernadette Kleine. In diesem ganzheitlichen Umgang mit der Situation sieht sie einen entscheidenden Unterschied zu anderen Schuldnerberatungen. „Dort wird oft nur auf die Zahlen geschaut, um das Insolvenzverfahren anzustoßen.“
657 laufende Beratungen hatte der SkF Ibbenbüren im vergangenen Jahr. Dazu kamen über 800 Kurzberatungen und Online-Kontakte. „Die Tendenz bei den Nachfragen ist steigend“, sagt Bernadette Kleine. „Die Wartezeiten für die Erst-Gespräche werden länger – liegen derzeit bei etwa acht Wochen.“ Das liegt in ihren Augen auch an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. „Der finanzielle Druck nimmt generell zu.“ Zudem sei das sich ändernde Kaufverhalten im Internet ein zunehmendes Problem. „Etwa: Jetzt kaufen, später zahlen – da kann man schnell die Übersicht verlieren.“
Die Schuldnerberatung des SkF in Ibbenbüren erreichen Sie unter der Telefonnummer: 05451 96860 oder via E-Mail.
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
Michael Bönte