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"Beim Sozialpraktikum habe ich verstanden, was Frieden ist"

, Kreisdekanat Kleve, Kreisdekanat Wesel

Mit dem Fahrrad würde es nicht lange dauern, bis Jan Michel Wilhelms zuhause wäre. Nur ein paar Kilometer liegen zwischen seinem Elternhaus und der Fazenda da Esperanca im Kloster Mörmter, wo Wilhelms drei Wochen lang ein Praktikum absolviert. Aber nach Hause zu fahren, das kommt für den 17-jährigen Schüler des Collegium Augustinianum Gaesdonck nicht infrage. Er möchte wissen, wer die Menschen sind, die in der Fazenda eine Bleibe gefunden haben, und wie sie leben.

Konkret heißt das für den Schüler: Um 6 Uhr klingelt der Wecker, eine halbe Stunde später gibt es Frühstück und dann wird er Rosenkranz gebetet. Anschließend macht er sich an die Arbeit, mit einem Bewohner des Hauses wird geputzt, aufgeräumt und die Wäsche erledigt. Dann guckt er, wo noch Hilfe gebraucht wird, und ansonsten bleibt noch Zeit für Gespräche. Und Geschichten haben sie alle zu erzählen, die Männer, die in der Fazenda leben. Viele haben eine lange Drogenkarriere hinter sich oder sind in Depressionen verfallen. In der Fazenda versuchen sie, sich von diesen Lasten zu befreien und gemeinschaftlich einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Der Umgang mit den suchtkranken Männern war für den 17-Jährigen kein Problem: „Erst denkt man vielleicht, was das wohl für Leute sind, die da leben. Aber ich war im vergangenen Jahr während der Firmvorbereitung schon einen Tag hier und habe da gemerkt, dass das Menschen sind, die schon ein sehr schweres Leben hatten. Und die nicht in eine Schublade gesteckt werden sollten, sondern die Chance auf ein neues Leben bekommen sollten.“ Schon nach seinem ersten Besuch war ihm klar, dass er auf der Fazenda sein Sozialpraktikum absolvieren wollte. Er schrieb Mails, sprach mit dem Einrichtungsleiter und präsentierte seiner Schule schließlich die Zusage.

Insgesamt sind es in diesem Jahr 85 Mädchen und Jungen aus der Einführungsphase der Oberstufe, die beim Sozialpraktikum mitmachen. Spiritual Cornelius Happel, der zum Betreuer-Team gehört, erklärt: „Anders als bei einem Betriebspraktikum geht es weniger darum, einen bestimmten Beruf kennenzulernen, sondern darum, mit Menschen in einem ganz anderen sozialen Umfeld in Kontakt zu kommen. Heraus aus dem geregelten und teils auch geschützten Schulalltag, so dass man das Leben auch mal aus einer anderen Perspektive zu sehen bekommt.“ Auf der Liste der besuchten Einrichtungen stehen Kindergärten an erster Stelle, gefolgt von Krankenhäusern, Förderschulen und Pflegeheimen, aber auch im Hospiz gibt es einen Praktikumsplatz.

Dass ein Schüler aber so weit geht, vor Ort sogar zu übernachten, so wie Jan Michel Wilhelms es macht, ist eher selten, weiß Happel. Entsprechend viel wird Wilhelms zu erzählen haben, wenn sich nach den drei Wochen alle Schüler treffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Eines ist sicher: Bereuen wird Wilhelms die Zeit nicht, in der ihm zwar kein Internet zur Verfügung stand, dafür aber Zeit zum Lesen und zum Nachdenken. Er blickt nachdenklich: „Ich habe während des Praktikums verstanden, was Frieden ist: den Moment genießen, keinen Stress haben, sich nicht von Medien und dem Internet hetzen lassen. Die Ruhe hier tut mir sehr gut.“

So sehr ihm die Zeit auch gefällt, beruflich hat sich der 17-Jährige schon darauf festgelegt, im künstlerischen und nicht im sozialen Bereich zu arbeiten. Dennoch kann er sich gut vorstellen, ab und an mal in der Fazenda vorbeizuschauen. Besonders weit muss er ja nicht fahren. Und, so sagt er: „Es ist hier wie eine kleine Familie, ich bin wie ein kleiner Bruder aufgenommen worden. Diese Freundlichkeit hat mich berührt. Und die Menschen hier sind mir ans Herz gewachsen.“

Christian Breuer