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Betroffene sexualisierter Gewalt sprechen mit Weihbischof Theising über Aufarbeitung

, Bistum Münster, Offizialatsbezirk Oldenburg

Zuhören, finanzielle Entschädigung und klare Benennung von Verantwortlichkeiten – das sind Forderungen, die Betroffene sexualisierter Gewalt durch Geistliche am Freitag, 2. Dezember 2022, gegenüber der katholischen Kirche im Oldenburger Land formuliert haben. Dr. Hans Jürgen Hilling und Bernd Theilmann aus dem Kreis der Betroffenen hatten mit Offizial und Weihbischof Wilfried Theising sowie dem Historiker Professor Dr. Thomas Großbölting vor rund 100 Interessierten im Vechtaer Antoniushaus über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gesprochen. Auch das Publikum beteiligte sich mit zahlreichen Fragen.

Der von einer respektvollen Atmosphäre geprägte Informationsabend war das erste öffentliche Gespräch zwischen Betroffenen sexualisierter Gewalt und einem Offizial als Vertreter der Bistumsleitung im niedersächsischen Teil der Diözese Münster. Moderiert wurde es von Pfarrer Dr. Marc Röbel, Akademiedirektor der Katholischen Akademie Stapelfeld und des St. Antoniushauses, und Christel Plenter vom Institut für Diakonat und Pastorale Dienste in Münster.

Bernd Theilmann, dessen Erfahrungen in der von einem Forscherteam um den Historiker Großbölting erarbeiteten Untersuchung über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster aufbereitet werden (u.a. S. 55-70), sagte, der Abend sei „ein guter Anfang“ gewesen. Ein solch offener Austausch zwischen Betroffenen und Offizialat sei vor Jahrzehnten nicht möglich gewesen. Wichtig sei, dass den Betroffenen weiter „zugehört“ werde. Theilmann wünschte sich, dass die Vernetzung von Betroffenen im Oldenburger Land von Seite des BMO unterstützt werde.

Zugleich mahnte Hilling, die Opfer von sexualisierter Gewalt sollten „zu ihrem Recht kommen“. Das System und die Höhe der derzeitigen Anerkennungsleistungen durch die katholischen Bistümer in Deutschland nannte er „hart an der Grenze zum Hochproblematischen“ (Informationen zur Anerkennungszahlung sowie zur Beantragung finden Sie unter www.anerkennung-kirche.de). Hilling forderte statt der bisherigen freiwilligen Zahlungen der Bistümer Schmerzensgeld für die Betroffenen sowie einen „ökonomischen Ausgleich“, da manche der Betroffenen mit „schweren psychischen und beruflichen Folgen“ zu kämpfen hätten. Außerdem forderte Hilling, dass die Verantwortung früherer kirchlicher Verantwortungsträger für die Vertuschung von Verbrechen deutlich benannt werden solle.

Theilmann und Hilling betonten, dass es in den Kirchengemeinden viel implizites Wissen über sexuellen Missbrauch gegeben habe. Theilmann sagte, im Falle des mehrfach beschuldigten Neuenkirchener Pfarrers Bernhard Janzen (1896-1972) hätten insbesondere die Ärzte der Neuenkirchener Clemens-August-Klinik ihren Kindern engen Kontakt zu dem Geistlichen untersagt – offenbar im Wissen, dass dieser übergriffig werde. Hilling zeigte sich „schockiert“ von der damaligen „Rechtsferne“ des Handelns der Bistumsleitungen und überrascht darüber, wie deutlich in manchen Fällen Staatsanwälte mit der Bistumsleitung bei der Vertuschung von Straftaten kooperiert hätten.

Weihbischof Theising merkte an, die Untersuchung für das Bistum Münster habe unterstrichen, dass Missbrauchstaten keinesfalls Einzelfälle gewesen seien, sondern es in der Kirche eine „systemische Begünstigung“ sexualisierter Gewalt gegeben habe. Das nicht anzuerkennen, hieße, den „Betroffenen nicht gerecht zu werden“, so der Bischöfliche Offizial für die katholische Kirche im Oldenburger Land.

Für die Gegenwart unterstrich Theising, dass überführte und verurteilte Missbrauchstäter nicht im priesterlichen Dienst verbleiben könnten. Zugleich würden alle zur Anzeige gebrachten Fälle heute zunächst den staatlichen Behörden übergeben, bevor das Bistum die Fälle intern bearbeite.

Mit Blick auf die von Theilmann geäußerte Erwartung, dass Betroffenen weiterhin zugehört werde und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt weitergehe, sagte Theising, er wolle im Gespräch mit den Betroffenen bleiben um „zuzuhören und zu schauen, was wir konkret machen können“.

Moderator Röbel resümierte, die historische Aufarbeitung durch die Münsteraner Studie sei ein „wichtiger Meilenstein“, der die Geschichte der Verbrechen und ihrer Vertuschung „schonungslos ans Licht bringe“. Der einzige Lichtblick im düsteren Thema sexualisierter Gewalt sei die Selbstermächtigung der Betroffenen, die die „Unsagbarkeit“ des Themas überwunden hätten.

Jene Fragen des Publikums, die bis zum Ende des Gesprächsabend nicht adressiert werden konnten, wurden gesammelt und dem Bischöflich Münsterschen Offizialat übergeben. Sie sind auf der Internetseite des BMO dokumentiert. Weihbischof Theising sagte, er hoffe weitere Betroffene sexualisierter Gewalt fänden durch die Studie, durch den Informationsabend oder die folgende Berichterstattung den Mut, sich zu melden und ihre Erfahrungen öffentlich zu machen.

 

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