Bischof Bahlmann: „Die Stimmung im Land ist sehr gemischt und verhalten“
Die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien steht kurz bevor. Im folgenden Interview spricht Markus Hauck vom Pressedienst Ordinariat Würzburg mit dem Franziskaner Bernardo Johannes Bahlmann, gebürtig aus Visbek im niedersächsischen Teil des Bistums Münster und heute Bischof des am Amazonas gelegenen Bistums Óbidos, über die Stimmung in dem südamerikanischen Land und erläutert unter anderem, wofür das für das Turnier investierte Geld besser angelegt worden wäre.
Bahlmann war 2009 in Münster zum Bischof geweiht worden.
In wenigen Tagen beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Wie ist die Stimmung im Land? Hat das WM-Fieber schon Óbidos erreicht?
Bischof Bahlmann: Das WM-Fieber ist in Brasilien noch nicht wirklich aufgekommen, auch wenn die Medien viel dafür zu machen versuchen. Die Menschen reagieren bislang sehr verhalten. Wir in Óbidos sind eigentlich weit weg vom Trubel. Die Stimmung im Land ist sehr gemischt und verhalten. Man weiß auch nicht genau, was passiert. Es wird immer wieder zu Demonstrationen aufgerufen, zum Beispiel von der organisierten Kriminalität in den Gefängnissen. Da steht der Aufruf an alle Brasilianer im Raum, gleichzeitig alle elektrischen Geräte einzuschalten, damit es zu einem Blackout kommt. Hinzu kommen die vielen Korruptionsaffären in den Kreisen der Regierung oder FIFA. Deren Präsident Joseph Blatter hat sich auch nicht gerade von der besten Seite gezeigt. Deswegen ist bislang noch keine besonders gute Stimmung im Land. Aber das kann sich in den kommenden Tagen noch ändern.
In den deutschen Medien wird auch über das über 205 Millionen Euro teure Stadion von Manaus berichtet, in dem lediglich vier Spiele stattfinden werden. Wie beurteilen Sie selbst diese Investition?
Bischof Bahlmann: Ich sehe das sehr kritisch. Manaus braucht sicher kein derart teures Stadion. Diese Frage stellt sich aber ohnehin auch bei vielen Stadien. Gibt es hinterher eine entsprechende Nutzung? Oder sind das hinterher nur Komplexe, die dem Verfall preisgegeben werden, wie zum Teil in Südafrika. Mitunter stehen hier bei uns neben den neuen Stadien zerfallene Schulen. Auch das Gesundheitswesen und die Infrastruktur lassen in unserem überwiegend armen Land noch viel zu wünschen übrig. Hinzu kommt die große Korruption bei den großen Bauprojekten.
Die brasilianische Gesetzgebung plant, auch die friedlichen Proteste gegen die WM als Terrorismus zu brandmarken und zu verbieten. Was sagt die brasilianische Öffentlichkeit bislang dazu?
Bischof Bahlmann: Die Öffentlichkeit hält sich bislang in diesem Punkt sehr zurück. Sie kann schon unterscheiden zwischen friedlichen Protesten oder Terrorismus. Das Problem ist durchaus, dass einige Gruppen die Proteste infiltrieren – manche sagen auch, dass diese von bestimmten Politikern oder der Regierung gesteuert sind –, um Konflikte zu provozieren, damit alle sagen: Wir wollen hier keine Proteste. Natürlich richten sich die Proteste nicht nur gegen die Regierung, sondern allgemein gegen die Politiker. Das zeigt deutlich: Wir brauchen eine neue Mentalität und ein neues Handeln im Land.
In vielen Bereichen wie der Gesundheitsversorgung übernimmt die Kirche Aufgaben, die eigentlich der Staat wahrnehmen müsste. So hat Ihr Bistum jüngst die Trägerschaft des Krankenhauses in Óbidos übernommen, damit der Betrieb aufrechterhalten werden konnte. Haben Sie Verständnis dafür, dass der Staat lieber in ein wenig nachhaltiges Projekt wie die Fußball-WM investiert?
Bischof Bahlmann: Da habe ich genauso wie die Brasilianer im Allgemeinen kein Verständnis dafür. Keiner kann es nachvollziehen, wie der Staat für solche Megaprojekte wie die WM oder den Staudamm von Belo Monte so viel Geld investieren kann. Vieles bleibt auf halber Strecke liegen, und dennoch sind zig Millionen ausgegeben.
Sie sind in Deutschland geboren und haben inzwischen einen brasilianischen Pass. Für welches Team schlägt in den kommenden Tagen Ihr Herz?
Bischof Bahlmann: Ich habe die Chance, zwei Teams zu begleiten. Somit habe ich auch zweimal die Chance, Weltmeister zu werden, einmal mit Brasilien und einmal mit Deutschland.
Frage: Abschließend dennoch die Frage: Wer wird Weltmeister?
Bischof Bahlmann: Ich hoffe doch das Team, das am besten spielt.
Text: Ludger Heuer, BMO
Kontakt: Ludger.Heuer[at]bmo-vechta.de