© Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Blinde und sehbehinderte Frauen ertasten den St.-Paulus-Dom

, Bistum Münster, Stadtdekanat Münster

Konzentriert tastet sich Conny Colborne von den Füßen der Bronzefigur bis zum Kopf hoch. Sie lächelt, als sie die Gesichtszüge von Mutter Teresa unter ihren Fingern spürt. „Für uns sind haptische Erfahrungen, also Dinge, die wir anfassen können, ganz wichtig, um etwas begreifen zu können“, erklärt die Münsteranerin. Sie ist an diesem Tag mit zwölf weiteren Frauen vom Blinden- und Sehbehindertenverein Münster und Umgebung in den St.-Paulus-Dom gekommen. Mit allen Sinnen lernen sie 90 Minuten lang besondere Frauengestalten in der Kathedrale kennen.

Barrierefreie Führungen werden regelmäßig angeboten

An öffentlichen Führungen für Blinde und Sehbehinderte, wie der Dom sie seit 2014 anbietet, haben viele der Frauen schon in den zurückliegenden Jahren teilgenommen. Diesmal soll es etwas Neues sein: Domführerin Elisabeth Lange führt die Frauen zu den Kreuzwegstationen von Bert Gerresheim im Altarumgang. Weil es dem Düsseldorfer Künstler wichtig war, auch Gestalten aus der jüngeren Geschichte der Kirche und des Bistums Münster in den Kreuzweg aus dem Jahr 1997 aufzunehmen, können die Frauen dort nicht nur Mutter Teresa, sondern auch die Bronzefigur der seligen Schwester Euthymia ertasten. Die wohl bekannteste Clemensschwester gilt seit ihrer Tätigkeit als Pflegerin von Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkriegs als Vorbild. An der Büste des seligen Kardinal Clemens Graf von Galen erfahren die Teilnehmerinnen zudem etwas über Schwester Laudeberta, die im Nationalsozialismus Widerstand gegen das sogenannte Euthanasieprogramm leistete und den Kardinal vor bevorstehenden Deportationen warnte.

Die Teilnehmerinnen der Domführung ertasten den Grundriss des Domes, der auf Schwellpapier gedruckt wurde.

Die Teilnehmerinnen der Domführung ertasten den Grundriss des Domes, der auf Schwellpapier gedruckt wurde.

© Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

„Eine genaue und detaillierte Beschreibung des Ortes und von Gegenständen ist besonders wichtig“, weiß Mario Schröer von der Dompädagogik. In den vergangenen Jahren hat er viel Erfahrung mit inklusiven Führungen gesammelt. Für blinde und sehbehinderte Teilnehmende hält er gleich mehrere Koffer mit Hilfsmitteln bereit, darunter hölzerne 3D-Modelle des Doms und Werkzeuge, mit denen die Steinmetze den Dom erbaut haben. Jüngst ist ein Grundriss des Doms hinzugekommen, der auf Schwellpapier gedruckt wird und so von den Teilnehmenden ertastet werden kann. „Das unterstützt die Orientierung im Kirchengebäude – zusätzlich zu den Beschreibungen der Raumgröße, der Ein- und Ausgänge und der Fenster,“, erklärt der Dompädagoge.

„Mit allen Sinnen“ – so sind die barrierefreien Domführungen überschrieben. Für blinde Menschen ist nicht nur der Tastsinn entscheidend, sondern auch das Hören. „Der Dom hat eine besondere Akustik, man hört die Größe und spürt, wie geschichtsträchtig dieser Ort ist“, beschreibt Dagmar Lamberts vom Blinden- und Sehbehindertenverein ihre Wahrnehmung. Ein Grund, die große Klais-Orgel am Ende einer Führung zum Einsatz kommen zu lassen. „Durch den Klang, den Hall spüren wir den Raum noch mal ganz anders“, ergänzt Dagmar Lamberts. 

Doch weil die meisten der Frauen die Orgel schon kennen, erfüllt die Dompädagogik einen besonderen Wunsch: Stufe für Stufe geht es für die Gruppe zunächst hinauf in den alten Orgelsaal, wo bis in die 1980er-Jahre der Kirchenmusiker die Orgel spielte und die Sängerinnen und Sänger aus offenen Fenstern in den Dom hinein sangen. In diesem besonderen Raum, in dem heute die liturgischen Gewänder lagern, singen Bettina Jung, ebenfalls Mitglied im Blinden- und Sehbehindertenverein, und ihre Freundin Janine Friedrich das Ave Maria. „Ein ganz besonderes Erlebnis“, schwärmt Dagmar Lamberts anschließend von „der wunderbaren Akustik“ des Saales. „Jetzt haben wir eine Vorstellung bekommen, wie sich die Musik hier früher angehört hat“, zeigt sie sich dankbar für die Erfahrung. 

Beim Kreuzweg von Bert Gerresheim haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, die Bronzefiguren im Domumgang zu ertasten.

Beim Kreuzweg von Bert Gerresheim haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, die Bronzefiguren im Domumgang zu ertasten.

© Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Die nächste öffentliche Domführung für blinde und sehbehinderte Menschen findet statt am Samstag, 21. April, von 15.30 bis 17 Uhr.
Für schwerhörige Menschen findet am Samstag, 25. März, von 13.30 bis 15 Uhr eine öffentliche Domführung statt.

Die Teilnahme kostet jeweils 3 Euro, bis 18 Jahre ist sie kostenlos. Treffpunkt ist das Paradiesportal (Haupteingang). Aktuelle Informationen zu barrierefreien Domführungen auf www.paulusdom.de.