Brasilianische Gäste schildern Eindrücke von Deutschland
Seit zwei Wochen sind sie in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatten die fünf jungen Erwachsenen aus der brasilianischen Diözese Caruaru den Aufenthalt der fünfzigköpfigen Oldenburger Gruppe beim Weltjugendtag organisiert und begleitet.
Zum Dank dafür lud Weihbischof Heinrich Timmerevers sie zu einem Gegenbesuch ein. In den letzten Tagen haben seine Gäste viele Gemeindeprojekte im Oldenburger Land kennengelernt und touristische Besuche im Münsterland und Rheinland gemacht. Morgen Mittag fahren sie zum krönenden Abschluss mit den Oldenburger Messdienern nach Rom.
Die Tage in Deutschland haben bei ihnen viele Eindrücke hinterlassen. Gefallen hat ihnen hier fast alles, der Kölner Dom und die vielen Fahrräder in Münster genauso wie das beschauliche Vechta. Nur mit dem langen Tageslicht haben sie immer noch ihre Probleme, das bringt den Bio-Rhythmus durcheinander. "Die Tage hören hier überhaupt nicht auf", lacht Pater Augusto Fagnê Araruna Paixão (29). In Brasilien geht die Sonne spätestens um 19.00 Uhr unter. Im Garten des Vechtaer Antoniushauses trafen wir ihn und Camila Juliette de Melo Santos (25) zu einem Gespräch über ihre Eindrücke und Erlebnisse.
Was sie am meisten beeindruckt hat? Die Jugendkirche Tabgha in Oberhausen. So eine Jugendkirche sei klasse, innovativ, findet Pater Augusto. So etwas gäbe es in Brasilien nicht. Das Jugendliche in Deutschland nur noch wenig Bezug zur Kirche haben, sei Realität. Doch die Kirche bemühe sich mit solchen Projekten sichtlich darum, diesen Bezug wieder herzustellen. "Wir bräuchten solche Projekte auch", bestätigt Camila Juliette. Ihre Einrücke aus Oberhausen hatte sie am gleichen Tag bei Facebook gepostet und umgehend aus Brasilien begeisterte Rückmeldungen bekommen. Dass die deutschen Jugendlichen im vergangenen Jahr die brasilianischen Gottesdienste wegen ihrer Lebendigkeit und Musik gelobt haben, weiß Camila, doch "die Gottesdienste und Liturgieformen sind bei uns in Brasilien seit langer Zeit stehen geblieben, das zieht die Jugendlichen nicht mehr an", sagt sie. "Jugendliche finden diese jahrzehntealten Formen verstaubt". Positiv sind den beiden Räume außerhalb der Liturgieräume aufgefallen.
"Gruppenräume oder Jugendtreffs gibt es bei uns nicht". Auch das System der deutschen kirchlichen Jugendverbände kennt man in Brasilien so nicht. Dort läuft alles ehrenamtlich, nicht so strukturiert wie in Deutschland.
Die vielen Strukturen in der deutschen Kirchenverwaltung empfinden sie aber fast als hinderlich für gute Gemeindearbeit. "Viele Strukturen erzeugen Verschlossenheit, dann findet die Kirche die Menschen nicht mehr", meint Camila. Gleichzeitig fallen ihr aber auch die finanziellen Möglichkeiten der deutschen Kirche auf. Das Geld ermögliche es z.B., Personen hauptamtlich mit Arbeiten zu betrauen und Projekte entsprechend auszustatten.
Skandale aus der europäischen Kirche schwappen auch nach Brasilien hinüber. Sie haben durchaus gehört von einem deutschen Bischof, der einen sehr luxuriösen Lebensstil gepflegt hat. Auch von Missbrauchsskandalen wird dort berichtet, dann aber meist aus den USA. Doch diese Themen gibt es auch in Brasilien selbst. Dennoch, bei fast 60 Prozent Bevölkerungsanteil stellt die katholische Kirche in Brasilien einen wichtigen Faktor in Gesellschaft und Politik dar. Ca. dreißig Prozent der Bevölkerung gehören Pfingstlern und Freikirchen an. "Die mit zehn Prozent kleinste Gruppe der Konfessionslosen wächst aber am schnellsten", sagt Pater Augusto.
Wie sieht es nach der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien aus? Die gewaltigen Stadien in kleinen Provinzorten, die sozialen Unruhen im Vorfeld wegen fehlender Infra-, Gesundheits- und Bildungsstruktur? "Da hat Brasilien einen gewaltigen Nachholbedarf", sagt Pater Augusto. In Deutschland haben sie erlebt, dass mit den Steuergeldern offensichtlich diese Strukturen geschaffen sind. Eine von ihnen musste zu einer kleinen Behandlung ins Vechtaer Krankenhaus, das ging ohne Barzahlung. In Brasilien steht das noch bevor. Demnächst sind dort Wahlen, alles wird gleichzeitig gewählt: der Präsident, die Abgeordneten im Parlament, die Bürgermeister. Danach muss sich einiges ändern, sagen die beiden. Dann muss auch entschieden werden, was mit den leeren Stadien passieren soll. Die WM, war es das wert für dieses Land? "Es hätten andere Herausforderungen angepackt werden müssen. Das war zu viel Geld für den Sport", ist sich Camila sicher. "Man hatte uns vorher versprochen, dass durch die WM zumindest die Verkehrsinfrastruktur besser würde. Passiert ist das nicht".
Letzte Frage: Wer wird das nächste Mal Weltmeister? Es folgt ein Moment der Stille. Dann platzt aus Camila ein "Oh, mein Gott". Doch Augusto sagt: "Wir haben Deutschland jetzt ein Projekt gegeben. Es gewinnt immer der, der sich am besten vorbereitet hat. Deutschland hat jetzt vier Jahre das Projekt, den Titel zu verteidigen. Dass Deutschland das kann, hat es in Brasilien bewiesen. Wenn Brasilien seine Lektionen richtig lernt, kann es den Titel auch wieder zurückzuholen".
Text: Bischöflich Münstersches Offizialat
Kontakt: Ludger.Heuer[at]bmo-vechta.de<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />