Die Grenzen des Wachstums und die Perspektiven der Eine-Welt-Arbeit
"Er hat mir aus der Seele gesprochen", so kommentierte eine Teilnehmerin der Jahrestagung Entwicklungspolitik den Vortrag des Ökonomen Prof. Dr. Niko Paech. Der bekannte Wachstumskritiker hatte den mehr als 140 Eine-Welt-Aktiven die fachwissenschaftliche Zusicherung gegeben, mit ihrem jahrzehntelangen Einsatz für eine faire und ökologische Lebens- und Wirtschaftsweise auf der richtigen Seite zu stehen.
Niko Paechs Beitrag war der Abschluss einer Tagung, zu der Eine-Welt-Gruppen nicht nur aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein, sondern beispielsweise auch aus Münster-, Sauer- und Siegerland vom 11. bis 13. Januar 2013 in die Akademie Franz Hitze Haus nach Münster gekommen waren. Sie einte die lange Praxis in evangelischen und katholischen Gemeinden sowie der Wunsch, im Austausch untereinander und durch Fachleute neue Impulse zu bekommen.
Fachlich drehte sich alles um die Frage "Anders wirtschaften – aber wie?": zum einen als Anknüpfung an die schon vor vierzig Jahren erschienene Studie "Die Grenzen des Wachstums", zum anderen als Konkretisierung der Jahrestagung 2012 "Anders leben – aber wie?"
Zunächst führte Prof. Dr. Martin Büscher am Freitagabend auf unkonventionelle Weise mit bekannten literarischen Beispielen in das Thema ein. "Der Zauberlehrling" zeige, was passiert, wenn jemand nicht in seine Grenzen verwiesen wird, "Des Kaisers neue Kleider" stehe für Scheinwelten, die zu Sachgesetzen der Experten erhoben werden, und "Momo" führe die Pervertierung von Zeit in Geld, in Nutzen und in Funktionen vor Augen. Auch wenn uns die neoliberale Wirtschaftspolitik wie eine Mauer aus Beton erscheine, so gebe es doch viele Aufbrüche, die wie Pflanzen in den Rissen dieser Mauern wachsen. Büscher erwähnte Beispiele wie nachhaltige Geldanlagen, veränderte Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge oder die Finanztransaktionssteuer. "Wir brauchen eine ethische Ökonomie, die auch politische, ökologische und weibliche Facetten hat", so der Ökonom und Theologe zur Perspektive. Und: "Die Ur-Frage nach dem guten Leben beinhaltet auf jeden Fall Gerechtigkeit."
Weihbischof Dr. Stefan Zekorn, Bischöflicher Beauftragter Weltkirche in der Diözese Münster, schlug einen Bogen vom Weihnachtsgeschehen zum Engagement in den Eine-Welt-Gruppen. Der Stern über dem Stall, der die Menschwerdung Gottes symbolisiere, habe auch die Menschen in der Tagung zusammengeführt. Und konkret: "Einkaufen mit Stern könnte bedeuten, einkaufen mit dem Transfair-Siegel." Der Weihbischof war sicher: "Der Stern macht den Unterschied."
In verschiedenen Arbeitsgruppen konnten die Aktiven Einzelaspekte vertiefen. Der thematische Bogen reichte vom konsumkritischen Rundgang durch Münster über eine Bibelarbeit zur Schöpfungsgeschichte bis zur Vorstellung der Aktion "Zukunft einkaufen" zum ökologischen und fairen Wirtschaften in Kirchen.
Rüdiger Schrade-Tönnißen, charismatischer Leiter des Chors "Die Untertanen", animierte am Abend unter dem Motto "Wir sind Chor!" das Publikum zum Selbstsingen – mit wenigen Noten, aber mit viel Bewegung.
Nach dem Sonntagsgottesdienst, der unter der Leitung von Michael Remke-Smeenk von einer spontan gebildeten Gruppe vorbereitet worden war, gab Prof. Niko Paech den Überlegungen und Praxisbeispielen der beiden vorhergehenden Tage den Background. In seinem Theorem unter der etwas sperrigen Bezeichnung "Postwachstumsökonomik" rechnete er gnadenlos mit dem neoliberalen Wohlstandsmodell ab – was niemanden verwunderte –, dann allerdings auch mit der Vorstellung eines "Grünen Wachstums", was hellhörig machte. Denn beiden gemeinsam sei die leitende Vorstellung eines permanenten Wachstums, doch die könne weder ökologisch entschärft werden, noch sei sie ökonomisch durchzuhalten und darüber hinaus auch gar nicht erstrebenswert. Unübersehbare Probleme würden mit "autistischer Strenge ignoriert". Als Ausweg präsentierte der Oldenburger Wirtschaftswissenschafter sein Modell der Postwachstumsökonomie, in der Ziele wie Suffizienz und Subsistenz eine besondere Bedeutung haben. Er setzte dabei auf die Zivilgesellschaft, weil bisher keine Partei dieses Konzept trägt, und zwar "aus Angst vor Verunsicherung des wählenden Publikums".
Es war ein langes Wochenende mit fachlichen Anregungen, mit Austausch, mit Stärkung durch Gesang und Gebet. Was nahmen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit nach Hause? Jemand brachte es, stellvertretend für viele andere, so auf den Punkt: "Im Alltag komme ich mir mit meiner Meinung und mit meiner Lebensweise häufig sehr allein vor – deshalb fahre ich immer gern zu den Jahrestagungen."
Text/Foto: Ulrich Jost-Blome, Referat Weltkirche
E-Mail: weltkirche[at]bistum-muenster.de