Dilemma zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmung

, Bistum Münster

Ein Thema, das jeden Menschen angeht, hat am 5. Juni im Mittelpunkt des diesjährigen Ärztetreffens des Bistums Münster gestanden: Über „Autonomie und Würde am Lebensende“ tauschten sich auf Einladung von Bischof Dr. Felix Genn rund 180 Medizinerinnen und Mediziner in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster aus. 

Zunächst begrüßte Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp in Vertretung des Bischofs die Gäste und dankte dem Vorbereitungskreis. In das Thema des Treffens führte dann die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger und stellte Referent und Referentin vor. Diese gaben aus ihrer jeweiligen fachlichen Perspektive Impulse zum Tagungsthema.

Den Anfang machte Prof. Dr. Katharina Klöcker von der Katholisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Sie stellte unter dem Titel „Fürsorge bis zuletzt“ Betrachtungen aus theologisch-ethischer Sicht an. Das Thema sei herausfordernd, da es sich im Spannungsfeld zwischen den Gütern Lebensschutz und Selbstbestimmung bewege. Die katholische Kirche räume Ersterem Vorrang ein und lehne daher den ärztlich assistierten Suizid ab. 

Dazu führte Klöckner aus: „Von einer fremdbestimmten und kategorischen Verbotsmoral ist Abstand zu nehmen.“ Normen gälten nicht unter allen Umständen, sondern im Allgemeinen. Daraus folgerte sie: „Das Verbot des ärztlich assistierten Suizids muss offen bleiben für menschliche Lebenswirklichkeiten und Erfahrungen.“

Ein großer Saal in dem viele sitzende Menschen zu sehen sind. Davor stehen (von links) Maria Kröger, Katharina Klöcker, Philipp Lenz und Klaus Winterkamp und schauen in die Kamera.

Über „Autonomie und Würde am Lebensende“ tauschten sich mit den Teilnehmenden (von links) Maria Kröger, Katharina Klöcker, Philipp Lenz und Klaus Winterkamp aus

© Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht

Jedoch müsse Tendenzen entgegengewirkt werden, diese Suizidform zu normalisieren, etwa wegen des Pflegenotstands oder ökonomischer Gründe. Suizid dürfe nicht zu einer von vielen Optionen werden. „Dieser Warnung muss die Kirche Ausdruck verleihen, dafür braucht es glaubwürdige und vernehmbare Stimmen“, sagte Klöcker. Außerdem sollten Suizidprävention und Palliativmedizin ausgebaut sowie Altern und Kranksein in Würde ermöglicht werden.

Den Impuls aus palliativmedizinischer Sicht gestaltete Prof. Dr. Philipp Lenz, ärztlicher Leiter der Palliativmedizin des Universitätsklinikums Münster. Er vertiefte zentrale Begrifflichkeiten und schilderte Praxisbeispiele sowie den Umgang damit. Seine Ausführungen belegte er mit Studienergebnissen. Dabei betonte er: „Offene Gespräche über Sterbewünsche haben nachweislich keine negativen Auswirkungen auf die Patienten und Patientinnen.“ Im Umgang mit diesen seien Ansprache, Nachfragen, Respekt, das Anbieten von Alternativen, der Aufbau einer Beziehung und das Reflektieren wichtig.

„Die Sterbehilfe bleibt ein Dilemma, und vielleicht sollten wir dieses Dilemma als solches belassen“, sagte Lenz abschließend. Die Öffnung des ärztlich assistierten Suizids erhöhe den Druck auf die Kranken und Alten. Die Palliativmedizin lege den Schwerpunkt auf die Wahrnehmung von Sterbewünschen und Suizidprävention. Denn insgesamt sei der ärztlich assistierte zwar eine medizinische, aber nicht notwendigerweise eine palliativmedizinische Aufgabe. Den Impulsreferaten schloss sich eine engagierte Diskussion mit vielen weiteren Anstößen an.

Anke Lucht