Dmgedanken: Prof. Straubhaar sprach im Do

Ohne Zweifel wird Deutschland bunter und die deutsche Bevölkerung vielfältiger. Doch das liege nicht nur an der Zuwanderung. Warum etwas Heterogenität positiv und viel Heterogenität negativ für eine gelebte Solidarität sei, legte am Mittwoch, 24. September, Prof. Dr. Thomas Straubhaar in seinem einstündigen Vortrag "Diversity und Solidarität" im Rahmen der Veranstaltungsreihe "DomGedanken" dar.

Diese steht unter der Leitfrage "Warum solidarisch?" Gründe für die Veränderungen in der Gesellschaft seien die zunehmende Lebenserwartung der Menschen sowie ein Wandel in deren Lebensformen und Verhaltensweisen. "Der ‚Durchschnittsdeutsche‘ wird immer weniger repräsentativ", hielt Straubhaar fest. Die vermehrt möglich gewordene Individualisierung führe außerdem zu einer ansteigenden Heterogenität des Verhaltens und damit einer größeren Vielfalt der Gesellschaft. Und nicht zuletzt sorge die Zuwanderung dafür, dass Deutschland bunter werde. "Heute gibt es kein allgemeingültiges deutsches Verhalten mehr. Für den Verlust des deutschen Normalfalls sind aber nicht nur Ausländer verantwortlich!", stellte der Ökonom klar, der an der Hamburger Universität lehrt.

Die steigende Vielfalt werde dann für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die ökonomische Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft zum Problem, wenn sich bei einzelnen Personen gleichzeitig mehrere negative Zugehörigkeitsformen überlagern. Es entstünden Parallelwelten. Deshalb müsse eine kluge Integrationspolitik dafür sorgen, dass die zunehmende Unterschiedlichkeit in der Gesellschaft nicht zu einer sozialen Spaltung führe, sondern für Menschen immer wieder Wege offen stünden, nach oben aufzusteigen und nicht unten verharren zu müssen – im schlimmsten Fall sogar über Generationen.

Bei einer modernen Integrationspolitik ginge es längst nicht mehr darum, durch ein moralisch gutmenschliches Verhalten den Betroffenen einen Gefallen zu tun, sondern es ginge um handfeste gesamtwirtschaftliche Interessen. "Bei einer guten Integrationspolitik geht es um eine gute Wirtschaftspolitik", betonte Straubhaar.

Bei allen Vor- und Nachteilen einer zunehmenden Vielfalt in der Gesellschaft solle man sich allerdings vor falschen Illusionen hüten. "Weder ist Vielfalt die Lösung bestehender und sich abzeichnender Herausforderungen noch ist Vielfalt die Ursache kommender Probleme", sagte der gebürtige Schweizer.

Voraussetzung für Solidarität sei der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft, eine Einheit in der Vielfalt. Ansonsten verliere die Gesellschaft das für den inneren Kitt so wichtige Sozialkapital. Dieses sei das gesellschaftliche Bindemittel jenseits wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und juristischer Gesetze. "Beispielsweise das Miteinander unter Nachbarn, für dessen Regeln es keine Gesetze gibt", erläuterte der Professor vor den Zuhörern im St.-Paulus-Dom. Deshalb brauche jede Gesellschaft Gemeinsinn und Menschen, die guten Willens seien, sich dafür einzusetzen. "Ein richtiges Maß an Gemeinsinn ist für das langfristige Überleben einer Gesellschaft unabdingbar. Deshalb gilt für die Zukunft noch eher mehr als für die Vergangenheit: Solidarität ist nicht alles. Aber ohne Solidarität wird alles nichts", beendete er seinen Vortrag.

Dompropst Kurt Schulte dankte Prof. Dr. Thomas Straubhaar für seinen engagierten und verständlichen Vortrag. "Sie haben uns eine Perspektive aufgezeigt, uns einander in einer Zeit der Verunsicherung als Bereicherung zu sehen", sagte Schulte und lud zum Abschluss zu einem offenen Empfang auf den Domplatz ein.

Die DomGedanken unter dem Titel "Warum solidarisch?" werden jeweils mittwochs wie folgt fortgesetzt: Mit "Solidarität in Europa – enttäuschte Hoffnung?" beschäftigt sich am 31. August Armin Laschet. Am 7. September setzt sich Dr. Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries, mit "Migration und Solidarität" auseinander. Zum Abschluss der Reihe widmet sich am 14. September Prof. Armin Nassehi dem Thema "Wir schaffen das! Politik zwischen konkurrierenden Solidaritäten". Beginn der einzelnen Termine der Reihe, die das Domkapitel in Zusammenarbeit mit Evonik Industries AG veranstaltet, ist jeweils um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Im Anschluss an alle Termine sind die Besucher zu einem offenen Empfang auf dem Domplatz eingeladen. Sämtliche DomGedanken-Abende werden live im Internet übertragen. Interessierte können sie unter www.bistum-muenster.de, www.paulusdom.de, www.kirchensite.de und www.katholisch.de verfolgen.

Bildunterschrift: Prof. Dr. Thomas Straubhaar sprach im münsterschen St.-Paulus-Dom über "Diversity und Solidarität" im Rahmen der Vortragsreihe "DomGedanken".

Text: Bischöfliche Pressestelle / 25.08.16
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Fotos: Kerstin Bücker/Bischöfliche Pressestelle