documenta und Kirche: Künstlertreffen mit Bischof Genn

, Bistum Münster

Dass sich Kunst und Kirche gegenseitig bereichern können, dafür ist die documenta, die weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst, ein erfolgreiches Beispiel. Seit 20 Jahren trägt das Bistum Fulda zur künstlerischen Atmosphäre während der Kunstausstellung in Kassel bei und fördert damit den Dialog zwischen Kirche und Kunst. Beim traditionellen Künstlertreffen, zu dem am 28. November nach zweijähriger Corona-Pause rund 100 Kunstschaffende auf Einladung von Münsters Bischof Dr. Felix Genn in die katholische Akademie Franz Hitze Haus in Münster kamen, stand die Installation „Poem of Pearls“ anlässlich der documenta 2022 im Mittelpunkt. 

Akademiedirektor Antonius Kerkhoff, Dr. Susanne Kolter, Birthe Blauth, Martin Matl und Bischof Dr. Felix Genn beim Künstlertreffen in der Akademie Franz Hitze Haus.

© Bistum Münster

Bischof Genn und Dr. Susanne Kolter, Vorsitzende der Kunstkommission im Bistum Münster, begrüßten die Teilnehmenden und griffen den Titel der Veranstaltung „documenta und Kirche“ auf. Als zwei Reizworte bezeichnete der Bischof die beiden Begriffe und spielte damit auf die Debatte um Antisemitismus während der diesjährigen documenta an sowie auf die derzeitige Situation der katholischen Kirche. „Ein schmaler Titel für umfangreiche Themen“ war die Überschrift auch aus Sicht von Susanne Kolter. „Die Kirche braucht die Kunst und vielleicht braucht auch die Kunst die Kirche…“, fragte sie. Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum könne viel bewegen. Es brauche dafür „ein solides Konzept, eine Zielvorstellung und ein didaktisches Konzept“. Wichtig sei es, dass sich Kunst und Kirche nicht gegenseitig verzwecken, sondern auf Augenhöhe begegnen.

Einen Einblick in die Entstehungsgeschichte und die Idee hinter „Poem of Pearls“, der Installation in der Kasseler Elisabethkirche, gaben die Künstlerin Birthe Blauth und der Diözesanbaumeister des Bistums Fulda, Martin Matl. „Die Kunst der Gegenwart kann Diskussionen und Erfahrungen anstoßen, die wir in Kirche und Gesellschaft immer neu brauchen“, zeigte sich Matl überzeugt. Mehrere Faktoren hätten die documenta zu einer besonderen gemacht. Erstmals habe ein Künstler-Kollektiv die Ausstellung kuratiert, zudem sei mit St. Kundigundis in Bettenhausen zum ersten Mal ein Kirchenraum zum Ausstellungsort geworden. „Das ist ein gutes Beispiel für die Dialogbereitschaft von beiden Seiten“, erklärte Matl, der die Teilnehmenden an der Arbeitsweise der Projektgruppe teilhaben ließ.

Die Künstlerin Birthe Blauth gab einen Einblick in ihre Installation „Poem of pearls“ anlässlich der documenta.

© Bistum Münster

Ihre Wahrnehmungen bei der ersten Begehung der Elisabethkirche schilderte Birthe Blauth. Störend sei die Geräuschkulisse auf dem Kirchplatz gewesen, bedingt von der sechsspurigen Straße. Auch an die durchgesessenen Stühle in der Kirche und den ungewöhnlichen Lichteinfall durch die verglasten Seitenwände erinnerte sich die Künstlerin. „Aber Dinge, die mich zuerst stören, können für mein späteres Konzept fruchtbar sein und sich positiv einfügen“, verdeutlichte sie. 

Im Prozess hin zur Installation sei es ihr wichtig gewesen, mit und nicht gegen die Architektur des Raumes zu arbeiten. Blauth räumte die Kirche am Friedrichplatz nahezu komplett leer und verwandelte sie durch eine Kunstrasenfläche in einen Paradiesgarten. In der Mitte stand eine Feuerschale mit 100.000 Perlen – jede Besucherin und jeder Besucher war eingeladen, eine Perle mitzunehmen, ein Geschenk. Entschleunigen, Kraft tanken, zu sich kommen – das bezweckte Birthe Blauth mit ihrer Installation. „Ich habe Menschen gesehen, die auf dem Rasen Yogaübungen gemacht haben, die sich hingelegt haben und sogar eingeschlafen sind“, berichtete die Künstlerin, die während der Ausstellungszeit oft vor Ort war. Ihre Hoffnung: „Dass die Installation die Besucherinnen und Besucher und ihre Wahrnehmung verändert hat.“ 

Ann-Christin Ladermann