Ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender Huber über religiös motivierte Gewalt

Gegen eine Betrachtung islamistischen Terrors und der Reaktionen darauf als "Kampf der Kulturen" sowie für einen "Kampf um Kultur", der Klarheit und Differenzierung braucht und die Rolle der Religionen nicht tabuisiert, hat am 6. September Prof. Dr. Wolfgang Huber im St.-Paulus-Dom Münster plädiert.

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sprach in dem voll besetzten Gotteshaus zu "Kampf der Kulturen? Religionen – Brandstifter und Feuerwehr". Der Vortrag war der vierte der Reihe DomGedanken 2017 mit dem Obertitel "Gefährdete Welt – Einsichten und Auswege".
Terror als Ausdruck eines Kulturkampfes zu sehen sei in Zeiten erodierender Kultur- und Wertebegriffe zu statisch. Außerdem verbiete sich diese Deutung schon allein wegen der hohen Zahlen an Muslimen unter den Terror-Opfern.

Ebenso sprach sich Huber gegen die "die wohlmeinende Absicht, religiöse Motive der Täter im Interesse eines reibungsfreien interreligiösen Dialogs unbesprochen zu lassen", aus. Wer sich mit den Vorgängen differenziert auseinandersetze, handle nicht islamophob. "Christen und Muslimen muss daran gelegen sein, dass die Einzigartigkeit Gottes keine Gewalt rechtfertigt", betonte Huber, "der interreligiöse Dialog steht vor der Herausforderung, die Achtung der Menschenwürde in den Mittelpunkt zu stellen."
Dabei könnten sich Christen nur in selbstkritischer Haltung gegenüber der Geschichte ihrer eigenen Religion zu islamistischem Terror äußern. Ein konsequent christliches Verständnis sehe sich dem Einsatz für ein Ende aller religiös motivierter Gewalt verpflichtet. Jesus Christus selbst gebe das in den Seligpreisungen der Bergpredigt vor.

Klar widersprach der Referent der Vorstellung, eine Welt ohne Religionen wäre eine Welt ohne Gewalt. Sie sei naiv angesichts der großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts. Auch religiöse Gewalt ausschließlich monotheistischen Religionen anzulasten sei einseitig.

Die Kirche müsse prinzipiellen und situationsabhängigen Pazifismus unterscheiden. Zur Bedingung dafür machte Huber: "Auch von dieser Überlegung ist jede religiöse Überhöhung fernzuhalten, und der Maßstab für die Anwendung von Gewalt muss immer hoch sein." Gewalt sei nie heilig, auch nach sorgfältiger Abwägung bleibe sie schuldbeladen und -verflochten. Deshalb müsse die Kirche immer neu gewaltfreie Wege suchen.

"Auf die Alternative, Religion entweder als Brandstifter oder als Feuerlöscher zu sehen, darf man sich nicht einlassen", unterstrich Huber, "vielmehr ist jeder Gläubige aufgerufen, die dunklen Seiten von Religion aufzudecken und ihre friedensstiftende Wirkung zu stärken." Wo der Kern der Religion missachtet werde, schlage sie in Gewalt um. "Dass die Menschenwürde ins Zentrum des Glaubens gehört, kann daher nicht nur eine Hoffnung sein, sondern wir müssen uns dafür aktiv einsetzen", stellte Huber abschließend fest.
Zu Beginn des Abends hatte Dompropst Kurt Schulte die Besucher begrüßt und in das Thema eingeführt. Musikalisch begleitete Domorganist Thomas Schmitz die Veranstaltung.

Den letzten Termin der DomGedanken 2017 gestaltet am Mittwoch, 13. September, Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas, Deutscher Vertreter bei der NATO, zu "Von heißem Krieg und kaltem Frieden. Was es zu verteidigen gilt". Beginn ist um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Bildunterschrift: Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prof. Dr. Wolfgang Huber, sprach im Münsteraner Dom über den Zusammenhang zwischen Religionen und Gewalt.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 07.09.17
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