Erfahrungen aus über 30 Jahren am Kirchengericht: Bilanz eines Drittrichters

Eine Entscheidung von höchster Stelle – von Papst Franziskus persönlich – wirkt sich auf acht Männer aus dem Bistum Münster konkret aus:

Sie werden am Freitag, 5. Februar, von Bischof Dr. Felix Genn als Vizeoffizial und nebenamtliche Drittrichter am Offizialat – dem Kirchengericht des Bistums – verabschiedet. Einer davon ist der emeritierte Pfarrer Hubert Ewelt aus Münster-Gievenbeck. "Ich habe das gerne gemacht", bilanziert er.

Dass für ihn diese Aufgabe dennoch wegfällt, liegt an der Abschaffung der verpflichtenden zweitinstanzlichen Entscheidung bei kirchlichen Eheannullierungsverfahren. Bisher musste, wenn die erste Instanz positiv entschieden wurde, die zweite Instanz deren Urteil bestätigen. Bestätigten die drei Richter der zweiten Instanz die Sichtweise ihrer ebenfalls drei Kollegen aus der ersten Instanz nicht, gab eine dritte Instanz den Ausschlag.
Den Automatismus der zweiten Instanz hat der Papst nun im Dezember abgeschafft, um die Verfahren zu beschleunigen. Seitdem wird die zweite Instanz nur bei einer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil tätig. Dies führt zu erheblich weniger Verfahren, daher werden weniger Richter benötigt.

Für Hubert Ewelt und sieben weitere nebenamtliche Diözesanrichter ist dies das Ende einer teils jahrzehntelangen Verpflichtung. Ewelt selbst war 32 Jahre Drittrichter. Die Gesamtzahl der Verfahren, an denen er mitgewirkt hat, schätzt der 79-Jährige auf bis zu 1.500.

"Vor allem bedeutete das intensives Aktenstudium", erzählt er, der vorher Pastor in Ibbenbüren-Dörenthe war. Denn die zweite Instanz entschied nach Aktenlage. "Künftig wird es keine Urteile rein nach Aktenlage mehr geben", erklärt Kurt Schulte, als Offizial Leiter des Kirchengerichts. Auch das sei eine Folge der Neuerungen: "Die Verfahren werden zahlenmäßig weniger, aber für uns aufwändiger" – ein weiterer Grund, nur auf Hauptamtliche zu setzen.

Weil aber das reine Lesen der Akten nicht reicht, sondern Sachverstand erfordert, hatte Ewelt sich auf diese Aufgabe gewissenhaft vorbereitet. "Zum Theologiestudium gehört das Kirchenrecht ja sowieso", erläutert er, "außerdem habe ich mir viel angelesen." Ergänzend habe er durch Kurse "eine gute Grundlage" erworben. Die war auch nötig. Der Diözesanrichter musste sich für jeden Fall eine kirchenrechtlich begründete Meinung bilden, ein eigenes Gutachten verfassen und dann mit den anderen Richtern der zweiten Instanz zu einem Urteil kommen.

Dass diese Arbeit für viele Menschen wertvoll war und ist, davon ist Ewelt überzeugt. "Es ist schon noch vielen ein Anliegen, eine kirchlich geschlossene Ehe bei deren Scheitern annullieren zu lassen, damit sie eine zweite Ehe vor Gott segnen lassen können", sagt er, "deshalb nehmen sie diese Verfahren auf sich, die sich ja nicht mal so eben nebenbei bewältigen lassen." Allerdings hätten sich die Klagegründe in den Nichtigkeitsverfahren mit den Jahren gewandelt. "Am Anfang ging es um Ausschluss von Unauflöslichkeit, Treue und Nachkommenschaft oder um Ehen, die aus Furcht oder Zwang geschlossen wurden, heute wird sehr häufig psychische Eheunfähigkeit als Klagegrund angeführt", erzählt Ewelt.

Wer Drittrichter wurde, entschied stets der Offizial. "Weil wir viele Drittrichter brauchten, waren wir eigentlich immer auf der Suche", sagt Schulte, "dabei haben wir neben den vorgeschriebenen Qualifikationen auf Erfahrungen und Neigungen geachtet." Er betont: "Wir hätten unsere Arbeit gar nicht leisten können, wenn wir nicht so ein großes Team an Drittrichtern gehabt hätten, die das zusätzlich zu ihren Hauptaufgaben übernommen haben."

Hubert Ewelt hat genau das gern getan. "Es war immer ein gutes Klima im Offizialat", findet er, "das hat die Arbeit sehr erleichtert." Außerdem sei sie angesichts der Vielfalt der Fälle abwechslungsreich gewesen: "Es hat kein Fall in all den Jahren besonders herausgeragt, aber jeder war anders, und man hat schnell gelernt, dass es nichts gibt, was es nicht gibt." Diese Sichtweise kann Schulte nur bestätigen: "Viele Menschen kommen mit einer Leidensgeschichte und mit Lasten zu uns, die sie zum Teil schon seit ihrer Kindheit mit sich herumtragen." Umso wichtiger sei es, sie gut zu beraten und gut durch die Verfahren zu begleiten. "Wir verstehen uns als Dienstleister", unterstreicht Schulte.

In diese Sichtweise passt, dass die zweite Instanz nur in Ausnahmefällen anders entschied als die erste – maximal in zehn Prozent der Fälle, schätzen Ewelt und Schulte. Auch das hat die Verfahren für die Beteiligten erträglicher gestaltet – nicht zuletzt dank des Einsatzes nebenamtlicher Diözesanrichter wie Hubert Ewelt.

Zusammen mit Hubert Ewelt werden am 5. Februar der Vizeoffizial Prof. Pater Dr. Alfred Völler MSC aus Darensberg sowie folgende Drittrichter verabschiedet: Pfarrer em. Leonhard Elsner aus Vechta, Pfarrer Dr. Hans Döink aus Coesfeld, Propst em. Robert Holtstiege aus Havixbeck, Pater Bernhard Sühling MSC aus Münster-Hiltrup, Diakon Karl-Friedolin Behl aus Neuenkirchen-Vörden sowie Diakon Hubert Looschen aus Garrel.

Bild: Das Aktenstudium gehört zur Arbeit am Kirchengericht dazu, wissen Kurt Schulte und Hubert Ewelt (von links).

Text: Bischöfliche Pressestelle / 03.02.16
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