"Es ist ein Privileg, in Deutschland aufzuwachsen!"

, Kreisdekanat Recklinghausen

Seit drei Monaten ist Tobias Schumacher wieder zurück in Deutschland. Ein Jahr hat er sein Zuhause in Haltern mit einer Wohngemeinschaft in Jasikan in Ghana getauscht. „Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Heimweh hatte ich nicht“, sagt der 19-Jährige und gibt dann nach kurzem Überlegen zu: „Ja, vielleicht doch ein bisschen, als ich mit meiner Familie zu Weihnachten über Skype gesprochen habe und unseren Weihnachtsbaum und den Ofen gesehen habe.“ Aber die Alternative, bei 30 Grad am Stand zu liegen, sei auch nicht so schlecht gewesen, sagt er schmunzelnd.

Gemeinsam mit Luisa Kohnen und Erik Behlaus aus Münster sowie Franziska Knappheide aus Emsdetten hat Schumacher auf einem Gelände der Diözese Jasikan gelebt. „Wir haben zusammen in einem Haus gelebt und uns gut verstanden“, berichtet er. Die vier Freiwilligen, die über das Bistum Münster ihren Freiwilligendienst geleistet haben, waren an drei unterschiedlichen Schulen im Einsatz. „Wir haben schwächere Schüler unterstützt. Wir haben gemeinsam gelesen oder Mathematik in kleinen Gruppen oder auch einzeln unterrichtet“, informiert Schumacher. Er habe sich sehr willkommen gefühlt. So richtig angekommen sei er aber erst nach gut sechs Monaten. „Es dauert, bis man wirklich im Alltag drin ist. Es ist schon gut, dass wir ein Jahr im Einsatz waren“, sagt er. Gemeinsam haben die vier Freiwilligen auch die Möglichkeiten genutzt, Afrika zu erkunden. Über Weihnachten und Silvester waren sie vier Wochen und zu Ostern drei Wochen unterwegs. „Wir haben die Zeit komplett für große Rundreisen genutzt und viel gesehen. Das war spannend. Auch haben wir viele Freiwillige kennengelernt, die ebenfalls unterwegs waren“, schwärmt er von dieser Zeit.

Die Freundlichkeit der Menschen hat Schumacher besonders beeindruckt. Das Dorf, in dem sie gelebt und gearbeitet hätten, sei nicht groß gewesen. „Besonders schön war es, Fortschritte bei den Schülern zu sehen. Sie haben vielleicht nicht den Schulabschluss geschafft, aber sie haben lesen und rechnen für ihren Alltag gelernt“, ist er auch ein bisschen stolz.

Im Gegensatz zu Deutschland fände das Leben vor allem auf der Straße statt. „Jeder hilft jedem“, hat er erlebt. Das Essen, das sie jeden Tag erhalten hätten, entsprach auch seinem Geschmack. „Allerdings wiederholte sich der Speiseplan jede Woche und mit der Zeit wurde es sehr eintönig“, gibt er zu.

Bewegend seien die letzten Tage in der Schule gewesen. „Wir haben eine Abschiedsparty gefeiert. Es war nicht einfach, auf eine unbestimmte Zeit Lebewohl zu sagen. Ich würde wahnsinnig gern in ein paar Jahren noch einmal zurückgehen“, sagt Schumacher. Denn in seinem Auslandsjahr habe er viel fürs Leben gelernt, „das mir in meiner persönlichen Entwicklung geholfen hat“. Er habe zu schätzen gelernt, was in Deutschland zur Normalität gehöre. „Es ist ein Privileg, hier aufgewachsen zu sein. Eigentlich wusste ich das, aber durch das Erleben ist es einfach nochmal deutlicher geworden“, ist ihm klar geworden. Nun hat ihn der Alltag wieder, der aber auch eine Veränderung und einen Neuanfang für Schumacher parat hat: das Studium der Geografie in Bonn.

Michaela Kiepe