Institutionalisierte Schutzkonzepte: Dekanat Borken ist Pilotregion
Wer sich nicht oder noch nicht selbst vor sexualisierter Gewalt schützen kann, der verdient es, dass andere ihn schützen, erst recht, wenn er sich einer kirchlichen Einrichtung wie etwa einem Kindergarten oder einem Pflegeheim anvertraut hat.
Deshalb verpflichtet das Bistum Münster seine Einrichtungen, ein Institutionelles Schutzkonzept (ISK). Was sich hinter diesem sperrigen Wort verbirgt, wie ein ISK erarbeitet und erfolgreich genutzt werden kann, das erproben derzeit als Pilotregion kirchliche Einrichtungen im Dekanat Borken.
Begleitet werden sie dabei von Pastoralreferent Matthias Winter aus Borken-Weseke. Er und Beate Meintrup von der Stabsstelle Prävention des Bischöflichen Generalvikariats (BGV) Münster bezeichnen ISK als eine in den Institutionen verankerte Zusammenstellung von „Basiswissen zum Thema und von Regeln, auf die man sich vor Ort verbindlich verständigt.“ Ein fertiges ISK enthalte drei Bestandteile: ein systematisches Personalmanagement im Blick auf Aus- und Fortbildung, die Einrichtung und Bekanntmachung von Beschwerdewegen und einen Verhaltenscodex. „Es soll allen Verantwortlichen deutlich machen, wie ihr Verhalten sein soll und wie es nicht sein darf, und es soll transparent machen, welche Abläufe greifen, wenn das Verhalten falsch ist“, sagt Winter.
Dabei bestehe „falsches Verhalten“ nicht nur in konkreten sexuellen Übergriffen, sondern in dem, was Betroffene als Überschreiten ihrer persönlichen Grenzen empfinden könnten. Auch dafür sollten die ISK sensibilisieren.
Im Dekanat arbeiten daran sechs Pfarreien und eine Seelsorgeeinheit. Sie haben Projektgruppen gebildet, die nun – gemeinsam mit Winter –eine Situationsanalyse erstellen. Aus Perspektive sowohl der Haupt- als auch der Ehrenamtlichen, die mit Schutzbefohlenen zu tun haben, ermitteln die Gemeinden dazu Schwachstellen in ihrem Einflussbereich. Das können beispielsweise ungünstige räumliche Situationen oder ungeklärte Autoritätsverhältnisse sein. „Mein Anspruch ist, dass das Schutzkonzept die Praxis beschreibt“, betont Winter. Da müssten dann beispielsweise auch kleine Geschenke an Kinder und Jugendliche kritisch in den Blick genommen werden, weil sie ein Abhängigkeitsverhältnis fördern könnten. „Wichtig ist, in allen Phasen des Prozesses alle Beteiligten einzubinden“, betont Meintrup.
Das gilt auch für den nächsten Schritt: Auf Dekanatsebene sollen sich Expertengruppen bilden und bis Mitte 2016 die Situationsanalysen unter die Lupe nehmen. Sie überlegen, wo diese die Situation vor Ort schon ausreichend beschreiben und wo vielleicht noch Informationen nachgeliefert werden müssen. „Schon an diesem Punkt können sich aus der Beobachtung der Praxis Hinweise für die spätere Erstellung des Verhaltenscodex ergeben“, sagt Winter.
Die Pfarreien haben dann bis Frühjahr 2017 Zeit, ihr ISK vorzulegen. „Denkbar ist das auch im Verbund mit einer anderen Pfarrei“, erklärt Winter, „jeweils mit individuellen Anpassungen an die Situation der einzelnen Pfarrei.“
Wichtig ist bei allen ISK laut Meintrup „dass sie handhabbar und verbindlich sind, der Verhaltenscodex soll kein Gesetz sein, sondern die pädagogische Haltung der Institution klären und vermitteln. Kern ist, dass alle Verantwortlichen ins Gespräch kommen darüber, was bei ihnen wichtig und möglich ist.“ Die Herausforderung sei, praxisnahe Regelungen zu finden, die sich für die vielen Beteiligten in all ihrer Verschiedenheit anwenden ließen. „Das soll ja kein Hochglanzpapier für die Ablage werden, sondern eine Hilfe im Alltag, für die Situationen, die immer wieder vorkommen“, betont Meintrup.
Bis Sommer 2017 ist Matthias Winter als Projektbegleiter beauftragt. Danach wird die Erstellung der ISK auch eine Aufgabe für Pfarreien und Institutionen über das Dekanat Borken hinaus sein, sie sollen nach jetzigem Stand bis Ende 2018 ISK erstellen. Winter macht ihnen dazu schon heute Mut: „Dieser Prozess soll und wird niemanden überfordern, weil die Form des ISK nachrangig ist. Vorrangig ist, dass die Beteiligten zum Thema miteinander ins Gespräch kommen und den ganzen Prozess über im Gespräch bleiben.“
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de