Junge Pflegekräfte berichten über Alltag

, Stadtdekanat Münster

Eigentlich kann sie nicht mehr alleine essen. Die ältere Dame leidet an Demenz, Mari Suppert muss ihr im Speisesaal des Johanniter Stifts in Münster das Essen anreichen. „Wenn sie dann plötzlich selbst zur Gabel greift, weil sie weiß, dass ich da bin und helfen kann, ist das ein unglaubliches Gefühl.“ Die 22-jährige angehende Pflegefachkraft steht am 21. September in der Aula der Hildegardisschule und berichtet rund 100 Schülerinnen und Schülern aus ihrem Alltag in der Pflege. Authentisch und unverblümt erklärt sie, weshalb die Arbeit in der Senioreneinrichtung für sie „der tollste Beruf überhaupt“ ist. 

Norbert Nientiedt las aus seinem Buch „Menschen pflegen, das ist meins!“.

© Bistum Münster

Mari Suppert, Joy-Samuel Schmed, Mostafa Othman und Niko Kefealas sind auf Einladung der Domfreunde, der Initiative „Starke Pflege Münster“ und der Palliativstation im Herz-Jesu-Krankenhaus in das bischöfliche Berufskolleg gekommen. Die Einrichtungen verbindet das Gemeinschaftsprojekt „Starke Pflege – Starke Typen“ aus dem vergangenen Jahr, das zusammen mit Norbert Nientiedt verwirklicht wurde: Der frühere Lehrer und Schulseelsorger, der 40 Jahre lang an der Hildegardisschule tätig war, hat für das Buch „Menschen pflegen, das ist meins!“ Personen aus Pflegeberufen zu Wort kommen lassen.

In Gesprächen hat er nach dem persönlichen Weg in die Pflege und die Motivation für den Beruf gefragt. 
„Wir sprechen viel zu oft über Menschen in der Pflege, viel zu selten lassen wir sie aber selbst zu Wort kommen“, kritisiert er. Dem Autor ist es ein Herzensanliegen, junge Pflegekräfte mit Schülerinnen und Schülern zusammenzubringen. „Von einem solchen Austausch wie hier in der Hildegardisschule können sie mehr mitnehmen als von zehn TV-Talkshows zu dem Thema“, ist Nientiedt überzeugt. Seine christliche Grundhaltung bestärke ihn in seinem Handeln: „Die Pflege von Menschen war das zentrale Anliegen Jesu, das wir ebenfalls als eine unserer Kernaufgaben betrachten sollten.“ 

Für Mari Suppert ist Pflegefachkraft „der tollste Beruf überhaupt“.

© Bistum Münster

Auch Schulleiter Peter Garmann ist es wichtig, für den Pflegeberuf zu werben. „Als katholische Schule nehmen wir gesamtgesellschaftlichen Aufgaben ernst und möchten dem Pflegenotstand entgegenwirken, indem wir junge Menschen an den Pflegeberuf heranführen und sie dafür begeistern“, sagt er. Die Chance nutzen die Schülerinnen und Schüler: Nachdem Norbert Nientiedt das Kapitel über den jeweiligen Protagonisten vorgelesen hat, stellen sie Mari Suppert, Joy-Samuel Schmed, Mostafa Othman und Niko Kefealas viele Fragen. Wie geht die 22-jährige Altenpflegerin mit dem Tod um? „Ich weiß, dass die Bewohnerinnen und Bewohner bei uns ihre letzte Lebensphase verbringen. Dabei möchte ich sie begleiten und denke, wenn ein Bewohner dann verstirbt, bewusst an die schönen Momente mit dieser Person.“ 

Joy-Samuel Schmed arbeitet in der „Jungen Pflege“ der Alexianer mit pflegebedürftigen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren. Der Pflegemangel sei an vielen Stellen spürbar und sorge mitunter auch für mehr Arbeit, „aber ich bekomme jeden Tag so viel zurück – sei es ein Lächeln, ein Lob oder ein Danke dafür, dass ich da bin – das ist meine große Motivation“, schildert der 30-Jährige den Jugendlichen. 
16 Patientinnen und Patienten besucht Niko Kefealas, der in der ambulanten Pflege im Klarastift arbeitet, täglich. Nach einer Ausbildung im kaufmännischen Bereich sei ihm beim anschließenden Freiwilligen Sozialen Jahr im Klarastift seine Berufung deutlich geworden: „Ich arbeite total gerne mit Menschen. Die Arbeit und der Kontakt erfüllt mich sehr“, berichtete der 26-Jährige. 

Und auch Mostafa Othman erzählte seine Geschichte: Der gebürtige Syrer musste aus seinem Heimatland, in dem Menschen, die in der Pflege arbeiten, kein hohes Ansehen genießen, fliehen. Auf seiner Flucht über die Türkei nach Griechenland machte er schlimme Erfahrungen, schaffte aber – in Deutschland angekommen – dank Fleiß und einem großen Willen den erweiterten Hauptschulabschluss. Heute hat er sich der Pflege verschrieben: „Besonders mit schwer traumatisierten und depressiven Menschen arbeite ich gerne, weil sie mich an Syrien erinnern“, sagt der Auszubildende in Nientiedts Buch. Nachdem er in der Psychiatrie im Alexianer-Campus gearbeitet hat, ist Mostafa Othman heute auf einer onkologischen Station im Clemenshospital. 

In der Pflege tätig zu sein, das können sich Paulina und Lena durchaus vorstellen – und sind dankbar für die intensive Einblicke durch die jungen Pflegekräfte. „Ich habe mir die ambulante Pflege zum Beispiel ganz anders vorgestellt“, hat die 17-jährige Schülerin einiges Neues gelernt. „Es ist wichtig, dass weiter über das Thema gesprochen wird, damit das Image besser wird und junge Menschen den Beruf gerne lernen“, ist die 17-jährige Paulina überzeugt. 

Ann-Christin Ladermann