Kirchen in NRW setzen sich mit ihrem Erbe auseinander

, Bistum Münster

Die fünf katholischen (Erz-)Bistümer und drei evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen, darunter auch das Bistum Münster, haben gemeinsame Leitlinien zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchen entwickelt. Die Leitlinien befähigen die Verantwortlichen in den Kirchengemeinden vor Ort, antijüdische Darstellungen wahrzunehmen, zu verstehen und mit ihnen aufmerksam umzugehen. Für einen verantwortungsbewussten Umgang mit antijüdischen Darstellungen bietet die Arbeitshilfe ausdrücklich die Unterstützung von Dialogbeauftragten mit dem Judentum und den Personen, die für Kunst und Denkmalpflege zuständig sind, an.

Titelseite der Publikation mit der Aufschrift "...und jetzt? Leitlinien zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchenräumen".

...und jetzt? Leitlinien zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchenräumen.

Grundsätzlich ist nicht jede Darstellung von Jüdinnen und Juden zugleich antijüdisch, an vielen Stellen dient sie zunächst nur dazu, diese als Vertreter des Alten Testaments zu kennzeichnen. Einige Darstellungen des Judentums in und an evangelischen und katholischen Kirchengebäuden entfalten aber bis heute eine verletzende und herabwürdigende Botschaft und Wirkung. Die (Erz-)Bischöfe und evangelischen Kirchenleitungen erklären gemeinsam: „Wir werden uns zunehmend bewusst, dass der christliche Antijudaismus dem modernen Antisemitismus einen fruchtbaren Boden bereitet hat. Vor diesem Hintergrund stellen wir uns der Verantwortung der Aufarbeitung. Dies ist auch Aufgabe in unseren Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen.“ Daraus folgern sie: „Wir wollen dazu ermutigen, vor Ort bewusst und gut begründet mit den Objekten umzugehen und Verantwortung zu übernehmen.“

Nach grundlegenden Ausführungen zu antijüdischen Inhalten und der Bedeutung von Bildern, sowie einer Einordnung der theologischen Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses folgen Beispiele von antijüdischen Motiven in Geschichte und Kunstgeschichte. Außerdem werden verschiedene Möglichkeiten des kritischen Umgangs am Ort sowie die Möglichkeiten der Auseinandersetzung in der Gemeinde vorgestellt.

Der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, sagt zur Veröffentlichung der Leitlinien: „Ich bin sehr dankbar, dass diese Handreichung entstanden ist und nun in den vermutlich letzten Tagen meiner Amtszeit veröffentlicht werden kann. Ich hoffe, dass die Leitlinien zur Sensibilisierung und Auseinandersetzung mit historischen antijüdischen Bildwerken beitragen werden, die in einigen unserer Kirchen zu finden sind. Sie mahnen vor einem fatalen religiösen Absolutheitsanspruch.“

In katholischen Kirchen im Bistum Münster sind bisher die folgenden antijudaistischen Darstellungen bekannt:

  1. Vellern-(Beckum) St. Pankratius, Taufstein mit Synagoge und Ecclesia 
    Sandstein, um 1240
  2. Dorsten, St. Agatha, Taufstein mit Judenfratze 
    Sandstein, um 1280
  3. Gescher, St. Pankratius, Kreuzweg 
    Wandmalerei, 1935, Bernd Terhorst Emmerich
  4. Marienfeld-(Harsewinkel), Unbefleckte-Empfängnis-Mariens, Konsole mit Judenhut 
    Sandstein
  5. Münster, St. Paulus-Dom, Paradies, Relief „Thronende Madonna“ 
    Sandstein, um 1225/30
  6. Münster, St. Lamberti, Nebenchorportal, Skulpturengruppe „Synagoge und Ecclesia“ 
    Sandstein, 1910, Wilhelm Bolte (Münster
  7. Münster, St. Ägidii, Taufstein mit Relief „Christus predigt gegen den Mammon“ 
    Sandstein, 1554
  8. Nottuln, St. Martinus, Relief mit Ölbergszene 
    Sandstein, frühneuzeitlich (heute im Baumberger Sandsteinmuseum, Havixbeck)
  9. Straelen, St. Peter und Paul, Seitenportal Nordseite „Synagoge und Ecclesia“ 
    Sandstein, 19. Jhdt.
  10. Telgte, St. Clemens, Kreuzweg, Hoher Priester mit Judenhut 
    19. Jhdt
  11. Warendorf, St. Laurentius, Flügelretabels Figuren mit Judenhüten 
    Eiche, um 1414
  12. Xanten, St. Viktor, Hochchor, Kapitellplastik mit „Sus et Judei“-Darstellung 
    Sandstein, um 1270

Dr. Stephan Kronenburg