„Klimamonitoring“ erfasst Klima in 19 Kirchen

, Bistum Münster

Siegfried Buchholz zieht die Leiter immer weiter aus. Sein Ziel: das Kapitell an einer der Säulen in der St.-Marien-Kirche in Lünen. In der Hosentasche hat der Haustechniker der Pfarrei ein kleines Kästchen. Was so unscheinbar in dunkelgrau daher kommt, enthält viel Technik. Genauer gesagt einen Sensor, der alle 20 Minuten die Temperatur sowie die relative Luftfeuchtigkeit in dem Gotteshaus misst und an einen Server übermittelt. „Sehr gut“, kommentiert Alexander Kreft von unten den Standort, den er im Grundriss der Kirche auf seinem Tablett markiert. Gemeinsam mit einem Team der Abteilung Kirchengemeinden des Bistums sucht er weiter nach sinnvollen Plätzen. „Die Innenseiten der Außenwände sind auch immer von Interesse. Dort gibt es den größten Wärmefluss. In den Ecken ist es kühler, und so kann sich dort leichter Schimmel bilden“, erläutert Kreft.

Unterstützung erhält die Gruppe von Bea Galler. Die Verwaltungsreferentin der Pfarrei kennt sich in der St.-Marien-Kirche bestens aus. Schnell sind weitere Orte für die insgesamt zehn Datenlogger gefunden, von denen die Hälfte zusätzlich die Oberflächentemperatur misst. Sie reichen vom Hochaltar über die Orgelbühne bis hin zum Dachstuhl. Aber auch in Lagerräumen, die wenig gelüftet werden, finden Sensoren einen Platz. Ebenso wird im Außenbereich ein kleines graues Kästchen angebracht. 

In den kommenden zwei Jahren messen die Sensoren unterschiedliche Parameter, die übertragen, gespeichert und visualisiert werden. Für das Pilotprojekt „Klimamonitoring“ hat die Abteilung Kirchengemeinden in Absprache mit der Kunstpflege des Bistums und dem Orgelsachverständigen ausgewählte Pfarreien mit Kirchen aus unterschiedlichen Baujahren angeschrieben. „Zwei Kirchen sind um 1200 entstanden, die St.-Marien-Kirche ist von 1895. Aber es gibt auch jüngere Kirchen wie zum Beispiel die St.-Marien-Kirche in Münster-Hiltrup. Sie wurde 1955 gebaut“, nennt Tanja Trittel Beispiele. Die Architektin mit Schwerpunkt Denkmalpflege arbeitet seit zwei Monaten in der Abteilung und begleitet mit ihren Kollegen Ulrich Gehling und Frank Könning den Termin in Lünen. Nach und nach werden die Fachleute in den 19 Gebäuden die Sensoren platzieren.

Nicht nur in der privaten Wohnung kann Schimmelbildung ein Problem sein, sondern auch in Kirchen. Eine hohe Luftfeuchtigkeit setzt den Gebäuden, den Orgeln und den Kunstgütern zu. Ein Problem, das sich in den vergangenen Jahren verstärkt hat. „Die Winter sind wärmer und feuchter geworden. In den Kirchen wird – auch wegen der Energiekrise – weniger geheizt. Ebenso ist die Zahl der Gottesdienstbesucherinnen und -besucher nicht mehr so hoch wie noch vor Jahren“, nennt Gehling einige Faktoren. Ziel sei es, das Kirchenklima besser zu verstehen und dadurch Schäden an den Gebäuden oder dem wertvollen Kulturgut zu minimieren sowie möglicherweise Energieressourcen einzusparen. „Auf Dauer könnten auch Sanierungs- und Restaurierungskosten gespart werden“, führt Gehling aus.  

Alexander Kreft von der Technischen Universität Dortmund markiert im Grundriss der Kirche die Positionen der Sensoren in Absprache mit Tanja Trittel von der Abteilung Kirchengemeinden und Henrick Schoofs von der Varga IoT GbR (von links).

© Bistum Münster

Kreft, der seit knapp vier Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Bauphysik und technische Gebäudeausrüstung der Technischen Universität Dortmund arbeitet, beschäftigt sich schon länger mit dem besonderen Thema. „Es gibt noch nicht viele Untersuchungen zum Klima in Sakralgebäuden. Kirchen sind bauphysikalisch ein Sonderfall“, berichtet er. Kreft wird die gesammelten Daten im Zuge seiner Doktorarbeit auswerten. Lehrstuhlinhaber Prof Dr.-Ing Wolfgang Willems hat bereits in seiner Heimatpfarrei St. Johannes in Kirchhellen ähnliche Messungen durchgeführt. Die besonderen Sensoren, die mit einer Dauerbatterie ausgestattet sind und in einem Gehäuse aus dem 3-D-Drucker stecken, haben Henrick Schoofs und Jan Sonntag entwickelt und bereits erfolgreich im Xantener Dom eingesetzt. Die Studenten der Hochschule Rhein Waal haben dafür das Unternehmen „Varga IoT GbR“ gegründet.

Nach gut drei Stunden sind alle Messgeräte platziert. „Es ist doch aufwändiger als gedacht. Die Auswahl braucht seine Zeit“, zieht Gehling am Ende ein Fazit. Nun sind alle Beteiligten auf das Klima in der St.-Marien-Kirche gespannt.

Folgende Kirchen sind beim „Klimamonitoring“ dabei: St. Vincentius in Dinslaken; St. Magnus in Everswinkel; St. Johannes, St. Peter und Heilige Familie in Recklinghausen; St. Lamberti in Ochtrup; St. Marien in Lünen; Abteikirche Ss. Cosmas und Damian Liesborn in Wadersloh-Liesborn; St. Lambertus, St. Sixtus, St. Anna und St. Antonius in Haltern; St. Peter in Rheinberg; St. Sebastian, St. Clemens, Alt St. Clemens und St. Marien in Münster; St. Silvester in Raesfeld-Erle; Stiftskirche St. Bonifatius in Freckenhorst.

Bildunterschrift (oben): Gemeinsam haben sie 20 Messtellen in der St.-Marien-Kirche in Lünen platziert: (von links) Henrick Schoofs (Varga IoT GbR), Frank Könning (Abteilung Kirchengemeinden), Haustechniker Siegfried Buchholz, Tanja Trittel (Abteilung Kirchengemeinden), Verwaltungsreferentin Bea Galler, Alexander Kreft (TU Dortmund) und Ulrich Gehling (Abteilung Kirchengemeinden).

Michaela Kiepe