"Liebe denken": Predigt des Bischofs zu Heiligabend

, Bistum Münster

Die Bedeutung und Kraft der Weihnachtsbotschaft auch und besonders in dieser Zeit hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am Heiligabend, 24. Dezember, betont. „Wenn nicht jetzt, wann dann vom Frieden sprechen und diese Botschaft hinausrufen?“ fragte er zugespitzt in seiner Predigt in der Christmette im St.-Paulus-Dom Münster.

Darstellung einer Krippenszene in einem U-Bahn-Schacht

Auf diese Darstellung einer Krippenszene in einem U-Bahn-Schacht in der Ukraine bezog sich Bischof Felix Genn in seiner Predigt in der Christmette.

© Religio - Westfälisches Museum für religiöse Kultur

Genn ging dabei vom Krieg in der Ukraine aus, bezog aber auch weitere Kriegsherde weltweit ein. Auch wenn man sich davor schützen wolle, gelange das Kriegsgeschehen über den Fernseher „bis in unsere gute Stube hinein“. Als „Gegenbild“ beschrieb Genn eine Krippendarstellung, die zurzeit in der Krippenausstellung im Museum Religio in Telgte zu sehen ist. Darin sei Jesu Geburt in eine U-Bahn-Station im ukrainischen Kiew verlegt.

„Was bedeutet es für uns hier in unserem Land, in dieser Situation die Weihnachtsbotschaft zu erzählen?“, fragte der Bischof, „ist es nicht an der Zeit, uns dieser Grundbotschaft zu vergewissern, sie in unserer kleinen Welt konkret werden zu lassen und darüber hinaus als Ansporn zu verstehen, politisch und gesellschaftlich für den Frieden einzutreten?“ Als Beispiele, wie das gelingen könne, nannte er „die Bereitschaft zum Verzicht angesichts der Flüchtlingsnot und der Energiekrise, die Bereitschaft zum Mitwirken, dass die Schöpfung nicht weiter zerstört wird, die Bereitschaft zu widersprechen, wenn Parolen bestimmend werden, die fremdenfeindlich, nationalistisch und egoistisch sind, die Bereitschaft zu geben, wenn alles ,nicht genug‘ scheint.“

Gottes Kommen in die Welt habe „in sich eine Kraft, die Energien freisetzt, Besonnenheit und Fanatismus widersteht, das Ringen um Gerechtigkeit wagt, in einer Welt, die sich abzuschotten scheint, den Blick öffnet für eine größere Wirklichkeit, die uns in Verantwortung und Pflicht nimmt.“ Genn sagte weiter: „An Weihnachten begegnet uns ein Gott, der nichts als Liebe denkt. Von dort her lädt er ein, an diesem Konzept mitzuarbeiten und alles zu tun, alle Kräfte einzusetzen, um den Mächten des Bösen gegenzusteuern.“

Der von der Krippe ausstrahlende Glanz möge der Seele gut tun und anrühren. Aber: „Es muss mehr folgen. Es muss persönlich werden.“ Der Bischof erinnerte an innere Kriege, Versöhnung und Verzeihung im Leben eines jeden Menschen. „Wenn jeder von uns bereit ist, nicht nur die gute Stube für Weihnachten herzurichten, sondern aus dem eigenen Herzen Wurzeln von Hass, Bitterkeit, Resignation und Rache auszureißen, hätten wir selbst und unsere Gesellschaft größere Nachhaltigkeit verschafft als das bloße Eintauchen in eine Stimmung, die übermorgen wieder von allen möglichen Sorgen und Bedrängnissen weggerafft wird“, sagte Genn, „wenn man es Gott gleichtut, nur Liebe zu denken, wird unser verhärtetes Herz weich.“

Gott gefielen die Menschen, „die versuchen, es Gott gleichzutun: Leben, Welt, Gesellschaft, Beruf und mich selbst von der Liebe her zu denken, zu konzeptionieren und so dazu beizutragen, dass gerade heute, und wenn nicht jetzt, wann denn sonst, Friede werden kann.“ Und der Bischof schloss: „Die Kirche und die einzelnen Christen wird man an diesen Früchten erkennen – oder auch nicht.“

Anke Lucht