Mutter der Armen und Vorbild im Glauben

, Kreisdekanat Warendorf

Beim Tod von Papst Johannes Paul II. forderten viele Menschen auf dem Petersplatz mit den Worten „Santo subito!“ eine schnelle Heiligsprechung. „So ähnlich stelle ich mir das auch bei der heiligen Ida von Herzfeld vor“, sagt Pfarrer Ulrich Liehr, Pfarrer der Pfarrei Jesus Christus Lippetal, die zum Erzbistum Paderborn gehört. „Das Volk hat gesagt: Diese Frau ist uns heilig, deshalb wurde sie von den Menschen direkt nach ihrem Tod bereits wie eine Heilige verehrt.“ Sie hatten nicht vergessen, dass Ida von Herzfeld sich zu Lebzeiten sehr für die Menschen eingesetzt hatte. Die erste Heilige Westfalens lebte im 8. und 9. Jahrhundert.

Kirchenfensterdarstellung: Ida verteilt Almosen.

© Elisabeth Zinselmeier

Ida war adelig und eine Nichte von Karl dem Großen. „Sie gehörte eigentlich nicht zum ‚Volk‘“, erklärt Pfarrer Liehr. „Aber sie hat sich nicht abgesondert, vielmehr hat sie die Menschen aufgebaut, ihnen zu essen gegeben und sie war für ihre Anliegen da.“

Der Wandel von der Adligen hin zur „Frau des Volkes“ habe mit dem Mann in Idas Leben zu tun gehabt, erläutert Pfarrer Jochen Kosmann von der Pfarrei St. Ida Herzfeld und Lippborg, die zwar direkt neben Pfarrer Liehrs Pfarrei liegt, aber zum Bistum Münster zählt: Ida begegnete eines Tages Egbert, Herzog der Sachsen an Rhein und  Weser, einem Vertrauten Karls. Der Herzog war krank und Ida pflegte ihn in ihrem Haus gesund. Beide lernten sich kennen und heirateten schließlich. Als sie gemeinsam entlang der Lippe nach Osten zogen, hatte Ida im Traum eine Vision: An dieser Stelle sollst du eine Kirche bauen. So stiftete sie gemeinsam mit ihrem Mann im heutigen Herzfeld eine Kirche – die erste Steinkirche weit und breit, wie Pfarrer Jochen Kosmann zu berichten weiß.

„Mutter Teresa“ des 9. Jahrhunderts

„Das Besondere an der heiligen Ida ist, dass wir aus ihrem Leben viele Fakten sicher wissen. So auch, dass Egbert im Jahr 811 gestorben ist und an der Seite der Kirche bestattet wurde. Über dem Grab ließ Ida einen Anbau der Kirche errichten und zog dort ein. Das ist der Punkt, an dem sie dem adeligen Leben entsagte und wie eine Ordensschwester über dem Grab ihres Mannes lebte“, beschreibt Pfarrer Kosmann.

Ida habe sich schon kurz nach dem Tod ihres Mannes ihren Sarg bauen lassen. „Bei Ida ist der Sarg aber nicht ein Zeichen des Todes, sondern des Lebens“, sagt Pfarrer Kosmann. Denn zweimal täglich füllte sie ihn mit Nahrung und Kleidung für die Armen – das machte sie quasi zu einer Mutter Teresa des 9. Jahrhunderts. „Sie hat die ihr als Adelige gegebene Macht genutzt, um für ihre Mitmenschen zu leben. Sie war für Andere da – das ist etwas, wovon wir Christen uns auch heute viel abschauen können“, ist Pfarrer Ulrich Liehr überzeugt.

Am 4. September 825 starb Ida von Herzfeld und wurde zunächst an der Seite ihres Mannes bestattet. Bereits unmittelbar nach ihrem Tod seien die Menschen zu ihrem Grab gewallfahrtet und hätten sie wie eine Heilige verehrt, macht Pfarrer Jochen Kosmann deutlich. Ida von Herzfeld wurde dann am 26. November 980 auch offiziell zur ersten Heiligen in Westfalen: Bischof Dodo von Münster erhob die Gebeine Idas zur Ehre der Altäre. „Das ist das Zeichen dafür, dass man sie von da an als Heilige verehrte“, beschreibt Pfarrer Kosmann. Auch heute noch pilgern Menschen zur Wallfahrtsbasilika St. Ida in Herzfeld, wo ihre Gebeine in einem vergoldeten Schrein in der Krypta ruhen.

Wo zwei Bistümer miteinander verschmelzen 

Pfarrer Ulrich Liehr (links) und Pfarrer Jochen Kosmann arbeiten bistumsübergreifend zusammen.

© Till Kupitz / Erzbistum Paderborn

Die Ida-Verehrung ist aber bis heute eher eine lokale, eben vor allem im Erzbistum Paderborn sowie im Bistum Münster. Denn Herzfeld, das zum Bistum Münster gehört, liegt direkt an der Grenze zum Erzbistum Paderborn – und ist Teil einer einzigartigen Kooperation: Die Pfarreien von Pfarrer Ulrich Liehr auf Paderborner und Pfarrer Jochen Kosmann auf Münsteraner Seite arbeiten bistumsübergreifend zusammen. Als „Katholisch im Lippetal“ treten sie nach außen wie eine gemeinsame Pfarrei auf. „Alle Alternativen dazu sind keine Alternativen“, sagt Pfarrer Kosmann, auch angesichts der bestehenden räumlichen Nähe und der kommunalen Zusammenarbeit der sechs Dörfer, die beiden Pfarreien angehören. Rechtlich bleiben sie zwei Kirchengemeinden, doch das meiste des Kirchenalltags passiert zusammen: Sitzungen des Pfarrgemeinderates, Firmvorbereitung, Erstkommunion sowie die Planung von Gottesdiensten oder die Erstellung von Dienstplänen – es gebe kein Mitglied im pastoralen Team, das nur auf einer Seite eines der Bistümer arbeite.

„Wir können nicht getrennt voneinander denken, weil alles so zusammengewachsen ist“, erklärt Pfarrer Ulrich Liehr.  Er und Jochen Kosmann kennen sich bereits seit 17 Jahren, als sie sich während ihres Studiums in Wien begegneten und Freunde wurden. Die enge Zusammenarbeit, obwohl sie in unterschiedlichen Bistümern eingesetzt werden, sei daher eine „Win-Win-Situation“. 

Inspiration für heutige Zeiten

Auch wenn Herzfeld den Mittelpunkt der Ida-Verehrung bildet: Sie strahlt in die umliegenden Dörfer aus. Von Paderborner Seite zieht jedes Jahr eine Wallfahrt zur Basilika nach Herzfeld. „Für mich persönlich hat es etwas Beruhigendes, dass ich weiß: Hier ist eine Heilige in unserer Mitte, die auch schon von Anfang an im Erzbistum Paderborn verehrt worden ist“, stellt Pfarrer Liehr fest.

Ein bisschen Legende schwinge dann aber auch bei der heiligen Ida mit, erklärt Pfarrer Kosmann: Als Ida einmal im Wald unterwegs war, soll ein Hirsch bei ihr Schutz vor einer Jagdgruppe gefunden haben. Aus Dankbarkeit half er Ida schließlich einer Erzählung zufolge, Steine für den Kirchenbau auf seinem Rücken durch die Lippe zu tragen. Dies sage zwei Dinge über die Heilige Ida aus, so Pfarrer Kosmann: „Erstens: Ida ist die Zuflucht für Bedrängte. Wer zu ihr kommt, findet Schutz. Zweitens: In der Symbolik des Christentums ist der Hirsch ein Symbol für Christus. Das heißt, sie hat die Kirche mit Christi Hilfe erbaut.“ Der Name Herzfeld leitet sich sogar vom Wort Hirschfeld ab.

Starke Frau als Vorbild

Die beiden Pfarrer sind sich deshalb einig: „Aus dem Leben der heiligen Ida kann ich heute noch echte Inspiration für mein Leben als Christ beziehen. Indem ich sehe: Ida vertraut auf Gott. Und im Vertrauen versucht sie, sich einzusetzen für das Gute.“ Die heilige Ida, an deren Todestag heute auch ihr Gedenktag ist, schafft damit, was nicht selbstverständlich ist: Auch fast 1.200 Jahre nach ihrem Tod ist sie ein anschlussfähiges Vorbild.

Bis heute wird normalerweise jedes Jahr in der Woche ab dem 4. September die „Iden-Tracht“, der Umgang mit den Reliquien der Heiligen, begangen und der „Ida-Segen“ erteilt. 

Text: Till Kupitz / Erzbistum Paderborn