„Es gibt eine gesteigerte Nachfrage nach geistlicher Begleitung“, erklärte Pater Michael Plattig. Allgemein sei damit die längerfristige Begleitung einzelner Menschen in Glaubens- und Lebenskrisen beziehungsweise auf ihrem geistlichen Weg gemeint. Einen bedeutenden Einfluss auf die Form geistlicher Begleitung habe bis heute Ignatius von Loyola (1491-1556), Mitbegründer des Jesuitenordens. Insgesamt aber ziehe sich die geistliche Begleitung durch die gesamte Geschichte des Christentums.
Am Beginn seien es einzelne geistliche Väter und Mütter, Einsiedler in der Wüste, gewesen, die mit der Bitte um einen Rat aufgesucht worden seien. „Diese Mütter und Väter gingen davon aus, dass Gott im jeweils anderen wirkt und jeder Mensch von Gott begleitet ist“, erläuterte Pater Michael Plattig. Die wichtigste Regel sei dabei gewesen: „Nicht verurteilen, sondern aufrichten und trösten.“ Der behutsame, sanftmütige Umgang mit dem Fragenden sei zentral.
Der Karmeliterpater stellte verschiedene Aspekte der geistlichen Begleitung in der weiteren Entwicklung vor. Durch die zunehmende Organisation des Mönchtums in Klöstern sei die geistliche Begleitung immer stärker an bestimmte Ämter gebunden worden. Nach dem Trienter Konzil (1545-1563) sei sie schließlich mehr und mehr mit der Belehrung für die rechte Gestaltung des Lebens überhaupt gleichgestellt worden. Geändert habe sich dies durch das gewandelte Verständnis von Buße nach dem zweiten vatikanischen Konzil. Das habe dazu geführt, dass sowohl Kleriker als auch Laien wieder zur geistlichen Begleitung befähigt worden seien.
Worauf es als geistlicher Begleiter ankommt, hob Plattig hervor: „Voraussetzung für die Begleitung anderer ist immer das eigene geistliche Leben, der eigene geistliche Weg und niemand kann sich selbst zum Begleiter machen.“ Heute sei geistliche Begleitung eng mit Bereichen der Psychologie verbunden. „Es ist selbstverständlich, Erkenntnisse der Psychologie für die geistliche Begleitung zu nutzen“, berichtete der Ordensmann.
Ann-Christin Ladermann