Polenz bei Renovabis-Friedensforum: "Demokratie ist kein Zuschauersport"

, Bistum Münster

Unter der Überschrift „Frieden und Versöhnung“ haben sich am 3. Mai in Münster anlässlich der Eröffnung der Renovabis-Pfingstaktion rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Forumsveranstaltung in der Akademie Franz Hitze Haus damit beschäftigt, wie ein Dialog in einem Ringen um Frieden gelingen kann. Einsichten dazu gab es unter anderem aus der Ukraine und aus Bosnien-Herzegowina.

Einen Impulsvortrag hielt der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und langjährige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Ruprecht Polenz. Er erinnerte an die Schaffung einer neuen Friedensordnung für Europa nach dem Ende des kalten Krieges. Es lohne sich heute noch, die 1990 unter anderem von den USA und der Sowjetunion unterzeichnete „Charta von Paris“ nachzulesen. In den Folgejahren habe es die Hoffnung gegeben, dass auch Russland den Weg in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einschlagen würde. Die Annexion der Krim 2014 sei jedoch eine „erste flagrante Verletzung“ der europäischen Friedensordnung gewesen.

Polenz erläuterte, er verfolge mit Sorge, wie sich die Politik angesichts der atomaren Erpressung Putins verhalte. Als langjähriger Tatort-Fan wisse er, dass man nie Ruhe vor einem Erpresser habe, wenn man einmal nachgebe. Es helfe nur „Konsequenz und Konsistenz“ im Handeln. Der kalte Krieg sei nur deshalb nicht zu einem heißen geworden, „weil die Abschreckung funktioniert hat“. Zur Ächtung des Angriffskrieges gehöre es, den Angegriffenen auch mit Waffen zu unterstützen. Dies entspreche der Charta der Vereinten Nationen. Zum Begriff Frieden gehöre das Wort Gerechtigkeit zwingend dazu. Ansonsten sei Frieden sehr einfach zu haben: „Man gibt dem Aggressor, was er will, und lässt ihn tun, was er möchte.“

Der münstersche Politiker erinnerte daran, dass es noch keinen Krieg auf der Welt gegeben habe, in dem auf beiden Seiten Demokratien gegeneinander gekämpft hätten. Eine Welt mit möglichst vielen demokratisch regierten Ländern sei eine sicherere Welt. Deswegen müssten wir „die Staaten unterstützen, die Demokratien sind, und ihnen helfen, noch bessere Demokratien zu werden.“ Doch die Demokratie stünde auch bei uns unter Druck. Polenz rief zur Beteiligung an der Europawahl Anfang Juni auf und betonte, dass Demokratie von zivilgesellschaftlichem Engagement lebe: „Sie ist kein Zuschauersport.“

Einen weiteren Impuls steuerte Emina Frljak aus Sarajevo bei. Sie ist Projektkoordinatorin bei „Youth for Peace“, einer Organisation, die sich um den interreligiösen und interethnischen Dialog zwischen jungen Menschen in dem früheren Bürgerkriegsland Bosnien-Herzegowina kümmert. Über Krieg, Frieden und Versöhnung zu sprechen, sei wichtig, meinte Frljak, denn: „Wenn wir es nicht tun, wer dann?“ Dabei müsse man jedoch beachten, welches Leid die jeweiligen Gesprächspartner bereits erfahren hätten: „Wir müssen auch Wut, Schmerz und Trauer Raum geben und realisieren, dass die Leute auf der anderen Seite ebenfalls Menschen sind.“ Hass zu empfinden, sei leicht, „doch auf lange Sicht frisst er dich auf.“  

Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bezeichnete der Lviver Kirchenhistoriker Oleh Turiy es als Fehler, dass die freie Welt Russland nach Ende des kalten Krieges nicht aufgefordert habe, die Verbrechen der totalitaristischen Sowjetunion aufzuarbeiten. „Jetzt sieht sich die Welt erneut mit einem Regime konfrontiert, das Grenzen verändern und die Würde anderer Länder und deren Einwohner zerstören will.“ Damit Frieden kommen und Versöhnung beginnen könne, sei es notwendig, den Aggressor zu stoppen und diejenigen zu verurteilen, die den Krieg geplant, geführt und gerechtfertigt hätten, so Turiy.

Thomas Mollen