Ich bin nun seit nahezu fünfzehn Jahren in der Politikberatung tätig. In dieser Funktion habe ich viele Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und zahlreiche Abgeordnete persönlich kennenlernen dürfen.
Das Bild, was aus diesen persönlichen Beziehungen von diesen Menschen entstanden ist, steht allerdings in einem merkwürdigen Widerspruch zu dem, was man als deren öffentliches „Image“ bezeichnen könnte. Für mich sind die meisten Politikerinnen unglaublich engagiert, fokussiert, haben eine hohe Auffassungsgabe und versuchen, oft unter hohem Zeitdruck komplexe Probleme zu lösen. Das öffentliche Image hingegen ist, dass der Politiker eher einen anderen Job „schwänzt“, vieles nicht versteht und regelmäßig eher wenig zufriedenstellende Lösungen produziert. Woran liegt das?
Ich vermute, diesem Widerspruch liegt eine Paradoxie zugrunde. Grundsätzlich entstehen solche Missverständnisse, wenn die Menschen sich, aus welchen Gründen auch immer, nur wenig politisch informieren und engagieren. Im Ergebnis bilden sich Einstellungen und Images nicht kognitiv-bewusst, sondern eher emotional-affektiv aufgrund flüchtiger Eindrücke. Die Meinungsbildung bleibt dann regelmäßig an der Oberfläche, was im Übrigen auch erlaubt, dass alle mitreden können.
Aus der Marketingforschung ist bekannt, dass ein solches Image sind nur ändert, wenn die Menschen einen guten Grund dafür erkennen, sich mit einem politischen Thema oder einem Politiker tiefergehend zu beschäftigen. Das ist immer dann der Fall, wenn politische Entscheidungen plötzlich eine persönliche Relevanz bekommen. Das Windrad in der Nachbarschaft, der Ersatz der Gasheizung oder die Verfügbarkeit von KiTa-Plätzen vor Ort können eine solche Relevanz aufweisen. Man könnte also die Vermutung haben, dass das oft negative Image daraus resultiert, dass viele Menschen die persönliche Relevanz politischer Entscheidungen nicht erkennen. Das kann daran liegen, dass diese Entscheidungen zu abstrakt sind oder aber, dass sie aus Sicht der Menschen einfach nicht relevant genug sind, um sich damit vertiefend zu befassen.
Mit Blick auf die kommenden Wahlen könnte man sich daher einmal fragen, welches Bild man von „der“ Politik bzw. „dem“ Politiker hat, und die Antwort in Kontrast setzen zur Frage, wann man sich das letzte Mal wirklich politisch informiert oder sogar engagiert hat. Wenn man dann bemerkt, dass Letzteres lange her ist, kann man immer noch über „die Politik“ schimpfen. Man sollte sich dann aber auch im Klaren darüber sein, dass dies vielleicht mehr über einen selbst verrät als über die wirkliche Arbeit der Politik.