Interreligiösen Dialog fördern

, Bistum Münster

Die kulturelle Vielfalt kennzeichnet das Land Bosnien-Herzegowina. Doch die Kriegsereignisse in den 1990er-Jahren haben Spuren bei Christen, Muslimen, Orthodoxen und Juden hinterlassen – und das Vertrauen zwischen den Religionsgemeinschaften im Land erschüttert. Auch knapp 30 Jahre nach Ende des Krieges bleibt der Auftrag weiter aktuell: Vertrauen muss erneuert, Versöhnung herbeiführt werden. Im Rahmen ihrer Delegationsreise haben Vertreterinnen und Vertreter des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis und des Bistums Münster verschiedene Projekte kennengelernt, die den interreligiösen Dialog fördern. Die Delegation hielt sich in Bosnien-Herzegowina auf, um die Eröffnung der Renovabis-Aktion im Mai 2024 vorzubereiten. Die Pfingstaktion steht unter dem Motto „Damit Frieden wächst – Du machst den Unterschied“.

Vor sechs Jahren wurde das Master-Programm „Interreligious Studies and Peace-Building“ (auf Deutsch: „Interreligiöse Studien und Friedensförderung“) ins Leben gerufen, noch immer ist es einzigartig in der Universitätslandschaft. Unterrichtet wird das Programm von den drei großen theologischen Seminaren – der katholischen, der islamischen und der orthodoxen Fakultät. „Wir haben uns damals gefragt, was wir konkret zum Frieden beitragen können und hatten die Idee, etwas gemeinsam zu tun und das politische Problem aus religionswissenschaftlicher Perspektive zu betrachten“, führte Professor Dr. Darko Tomašević von der katholischen Fakultät den Besuch aus Deutschland in die Genese des Master-Programms ein. 

Professor Mustafa Hasani von der islamischen Fakultät (links) und Professor Dr. Darko Tomašević von der katholischen Fakultät erklärten der Delegation die Idee hinter dem Master-Programm „Interreligious Studies and Peace-Building“.

© Bistum Münster

Grundlage seien die Heiligen Bücher wie die Bibel, der Koran und die Septuaginta, daneben gebe es Seminare mit einem ethischen Schwerpunkt sowie praxisorientierte Module. „Wir wollen die Verschiedenheit überbrücken und Verbindungen schaffen“, erklärte der neue Dekan der katholischen Fakultät, Mario Bernadić. Konkrete Erfolge, nachdem rund 70 Studierende den Master absolviert haben, seien schwer zu messen. „Wir sehen das Programm als Investition in den Menschen“, sind sich die Dekane einig. 

Damit die Studierenden mit allen Religionen in Berührung kommen und Vorurteile abgebaut werden, finden Veranstaltungen an allen Fakultäten statt. „Wir arbeiten religionsüber-greifend daran, ein Gefühl des Respekts für andere zu entwickeln und wir wollen eine Haltung vermitteln, wie wir gut miteinander leben können“, betonte Tomašević. Dabei gehe es nicht nur um reine Wissensvermittlung, weiß Professor Mustafa Hasani von der islamischen Fakultät. „Es ist wichtig, dass wir als Menschen über unsere Religion sprechen, als Katholik, Moslem oder orthodoxer Christ.“ Bisherige Absolventen arbeiten beispielsweise in der Medienlandschaft, in Schulen oder in verschiedenen Unternehmen, erfuhr die deutsche Delegation.

Dass es bereits unmittelbar nach Ende des Bosnien-Krieges Bemühungen um interreligiösen Dialog, Frieden und Versöhnung gegeben hat, zeigt die Einrichtung des Interreligiösen Rates in Sarajevo. 1997 gegründet, fungiert er seitdem vergleichbar mit einer Nichtregierungsorganisation. „Wir glauben, dass Frieden der einzige Weg zur Versöhnung ist“, erklärten Tamislav Mlakic, Vertreter der katholischen Glaubensgemeinschaft, Muhamed Jusic als islamischer Vertreter und Boris Kozemfakin von der jüdischen Gemeinschaft im Gespräch mit der Delegation. „Trotz unserer unterschiedlichen Religionen sind wir Schwestern und Brüder“, hoben sie das Verbindende hervor. Dass dies eine bleibende Herausforderung ist, zeigt ein Konflikt zwischen der islamischen und serbisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, aufgrund derer sich letztere im Frühjahr vom Interreligiösen Rat distanzierte und derzeit nicht mehr in dem Gremium vertreten ist. 

„Es braucht Menschen, die die Bereitschaft mitbringen, Brücken zu bauen“, betonte Pfarrer André Sühling in seiner Predigt in der Gemeinde in Stup, einem Stadtteil von Sarajevo, wo die Delegation am Gottesdienst teilnahm.

© Bistum Münster

„Unser Anliegen ist es, den interreligiösen Dialog an die Basis zu den Menschen zu bringen“, betonte Jusic. Verschiedene Projekte wie ein Glossar für religiöse Begriffe oder Seminare zur Rolle der Frau in den Religionen seien dafür in den zurückliegenden 25 Jahren durchgeführt worden. „Das Zusammenleben untereinander funktioniert gut“, berichtete Mlakic aus dem Alltag. Eine Erfahrung, die sich auf die Geschichte des Landes übertragen lässt: „Der Krieg war kein Krieg zwischen den Religionen, sondern politisch motiviert.“ 

Was die Delegation mit Teilnehmenden des Hilfswerks Renovabis und des Bistums Münster von diesen und weiteren Besuchen mitnimmt, fasste André Sühling, Pfarrer der münsterschen Pfarrei Liebfrauen-Überwasser und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Münster zusammen: „Es braucht Menschen, die die Bereitschaft mitbringen, Brücken zu bauen“, betonte er in seiner Predigt in der Gemeinde in Stup, einem Stadtteil von Sarajevo, wo die Delegation am Gottesdienst teilnahm. Es gelte, aus der Taufe heraus zu leben. „Dann kann jeder von uns Friedensstifter sein.“

Ann-Christin Ladermann