Weihbischof Zekorn spricht mit Ahlenern über Glaube und Gemeinde
Mit Weihbischof Dr. Stefan Zekorn über Veränderungen und Krisen der katholischen Kirche ins Gespräch kommen – diese Gelegenheit haben am Abend des 28. Oktober rund 70 Interessierte aus Vorhelm und Umgebung wahrgenommen.
Zu einem Gesprächsabend unter dem Motto ‚Kirche am Ende? – Gibt es noch eine Wende?‘ hatte das Kreiskomitee der Katholiken im Kreisdekanat Warendorf in das Pfarrheim St. Pankratius in Ahlen-Vorhelm eingeladen.
In vier Themenblöcken bekamen zunächst die Besucher die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mitzuteilen, bevor Weihbischof Zekorn auf diese einging und selbst Stellung zum Thema bezog. Moderator Hermann Flothkötter, ehemaliger Direktor der Landvolkshochschule Freckenhorst, führte in den ersten Block unter der Überschrift ‚Glauben und Glaubensbilder‘ ein. Der Glaube spiele im Leben vieler Menschen kaum noch eine Rolle, man bekomme den Eindruck, dass Gott den Menschen egal sei.
"Die Beschreibung trifft es gut", stimmte eine Frau zu. "Wenn ich auf meine Familie schaue, dann bin ich die einzige, die noch glaubt." Eine andere Besucherin erzählte, dass sie nicht mehr alles glauben könne, was ihr in der Kindheit beigebracht worden sei. Vieles sei überholt, einen Grundglauben halte sie aber für wichtig.
"Wir haben gerade schon eine Antwort entwickelt", griff der Weihbischof die Wortbeiträge auf. Entscheidend sei, dass man über den Glauben ins Gespräch komme. "Das geschieht zu wenig", sagte er. Er persönlich glaube, dass in jedem Menschen der Glaube angelegt sei, denn jeder Mensch habe Fragen nach dem Sinn des Lebens. Viele hätten sich jedoch daran gewöhnt, mit diesen Fragen zu leben.
Zur Verdeutlichung erzählte er den Zuhörern von einer Begegnung mit zwei Studenten, die sich als Firmkatecheten engagieren. "‚Warum macht ihr das?‘, habe ich sie gefragt." Die Studentin meinte, dass sie erlebt habe, dass der Glaube ihr was bringe. Und der Student habe geantwortet, dass er aus einer anderen Tiefe leben möchte, als seine Eltern, die keinen Bezug zur Kirche hätten. "Was bedeutet das nun für uns?", fragte der Weihbischof die Anwesenden. "Ein Glaube, der mir nicht hilft, bringt mir auch nichts." Jeder sei herausgefordert, den eigenen Glauben zu vertiefen.
Die Gemeinden vor Ort standen im Mittelpunkt des zweiten Themenblocks. "Die Fusionen sind eine Katastrophe", brachte ein Mann seine Erregung zum Ausdruck. Priester seien Seelsorger, und Seelsorge finde nicht mehr statt, sagte ein Anderer. Carola Paulmichl, Vorsitzende des Ahlener Pfarreirates, erzählte: "Ich empfinde es als große Herausforderung, allen sieben Gemeinden gerecht zu werden. Aber gleichzeitig entdecke ich die große Vielfalt dieser verschiedenen Kirchtürme."
Bevor Weihbischof Zekorn auf die Meldungen einging, fragte er nach einer Schätzung, wie viele Gottesdienstbesucher es in zehn Jahren noch gebe. "Rein rechnerisch schneidet die Zahl im Jahr 2026 die Nulllinie. Das ist die Realität, und diese Wirklichkeit müssen wir wahrnehmen", sagte er. Die Pfarrei als der Ort, wo sich alle kennen, werde es so nicht mehr geben. Diese Realität gelte es zu gestalten. Das sei Aufgabe der Verantwortlichen im Bistum, aber auch der Gläubigen jeder Pfarrei. Größere Gemeinden brächten außerdem auch Vorteile mit. Er sei in einer kleinen 3200-köpfigen Gemeinde aufgewachsen mit wenigen Jugendlichen, die sich in der Kirche engagieren wollten, und somit auch wenigen Angeboten. "Das war schrecklich." Größere Gemeinden hätten ganz andere Möglichkeiten, Zielgruppen anzusprechen.
Entschieden widersprach Weihbischof Zekorn dem Vorwurf der mangelnden Seelsorge. Mit Blick auf Erstkommunion- und Firmkatechese, Notsituationen oder Trauerbegleitung sei er überzeugt "Seelsorge findet statt!" Künftig bestehe aber auch die Möglichkeit, dass Seelsorge "von qualifizierten Laien mit Charisma" übernommen werden könne. "Kirche wird sich von einer stark an Hauptamtlichen orientierten Kirche zu einer an Ehrenamtlichen orientierten Kirche hin entwickeln", sagte er.
Zum Thema Verbände als Spiegelbilder der Entwicklung in Gemeinden sagte ein Besucher, dass Verbände zwar von Ehrenamtlichen leben, sie jedoch geleitet werden müssten, am besten durch Hauptamtliche. Außerdem seien Verbände für viele nicht mehr anziehend. "Verbände waren und sind auch heute noch Seismographen der Gesellschaft", zeigte sich der Weihbischof überzeugt. Die Menschen wollten sich aber zunehmend nicht mehr an etwas binden. Generell gebe es nicht weniger Ehrenamtliche, aber weniger, die irgendwo Mitglied seien. "Ich glaube aber nicht, dass die Lösung in einem Hauptamtlichen oder Priester liegt, der alles rausreißen kann – einfach, weil es nie so war", sagte er. Mit Blick auf die Zukunft gab er den Verbandsmitgliedern drei Punkte mit auf den Weg: eine klare Zielgruppe und ein klares Programm formulieren sowie eine projektbezogene Struktur aufbauen.
"Ich glaube, dass Gott mit seiner Kirche etwas vorhat", sagte Zekorn zum Schluss. Dazu falle ihm das Weihnachtsfest ein, an dem Gott in einem schlichten Stall nicht nur Mensch geworden, sondern auch als Flüchtling auf die Welt gekommen sei. "Wenn Weihnachten keine Panne war, sondern da das Fundament unseres Glaubens gelegt wurde, dann können auch Sie es wagen, klein und mutig zu sein."
Viel Zeit habe sich der Weihbischof für Diskussionen genommen, meinten Doris Schnückel und Elisabeth Pöppelmann aus Vorhelm im Anschluss an die Veranstaltung. Dennoch gebe es noch viel mehr Diskussionsbedarf, dafür habe die Zeit leider nicht gereicht. "Ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr auf Kirche und Zukunft eingegangen wird. Was können wir konkret tun? Was kann Kirche als Institution tun?", sagte die 77-jährige Doris Schnückel. Der 16-jährige Leon Schwarte hatte sich schon im Vorfeld darüber gefreut, dass das Kreiskomitee einen solchen Gesprächsabend mit dem Weihbischof überhaupt anbiete. "Aber es ist schade, dass so wenig Jugendliche da waren, leider haben viele kein Interesse mehr an Kirche."
Text: Bischöfliche Pressestelle
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