Weihnachten stellt Würde des Menschen wieder her: Predigt des Bischofs am ersten Weihnachtstag
Weihnachten als ein "hoch politisches und sehr gesellschaftskritisches Fest", das weltveränderndes Potenzial in Christen frei setzen könne, hat am ersten Weihnachtstag Dr. Felix Genn, Bischof von Münster, gefeiert.
In seiner Predigt in der Heiligen Messe im St.-Paulus-Dom sagte er, an Weihnachten werde die Würde des Menschen "wunderbarer wiederhergestellt." "Wenn Gott sich nicht zu schade ist, einer von uns zu werden, wenn er uns ganz nahe rückt, zu unserem Nächsten wird, dann hat er eine höhere Meinung von uns Menschen, als wir sie selber haben", sagte der Bischof, "nun will er, dass wir uns unserer Würde gemäß verhalten, er möchte uns die Möglichkeit geben, wahrhaft Mensch zu werden."
Genns Ausführungen gingen vom biblischen "Im Anfang war das Wort" aus dem Johannesevangelium aus. Diese Weihnachtsgeschichte sei – anders als die Schilderung von Jesu Geburt im Lukasevangelium – "keine Erzählung vom weihnachtlichen Geschehen, sie ruft keine Bilder in uns hervor." Fast abstrakt komme es einem vor, wenn vom Anfang, vom Wort, vom Licht, von Gnade und Wahrheit, von Gott, den nie jemand gesehen hat, die Rede sei.
Ein Wort könne in der Tat einen Anfang setzen. Manchmal kämen aber Worte auch erst nach einem Ereignis hinzu, um dieses zu deuten. So sei es auch den Menschen gegangen, die mit Jesus zu tun hatten. "Je mehr sie sich einließen auf diese Erfahrung seiner Auferstehung, umso mehr wurden sie fähig, über sein ganzes Leben auszusagen", sagte Genn, "zugleich wurden sie aber auch ermutigt, sich auf das Bekenntnis einzulassen: In diesem Jesus hat Gott wirklich gesprochen." Mit diesem Leben habe Gott sich gezeigt. "Er hat zu uns Menschen ein Ja gesagt, das nie mehr zurückgenommen werden kann", erklärte der Bischof. Dies mache deutlich: Die Schöpfung sei entstanden, weil Gott ein Wort gesprochen habe, das sei der Anfang von allem.
Deshalb bejahe die Kirche in den weihnachtlichen Gebeten "die Würde des Menschen, die Würde der Schöpfung, bekräftigt, dass alles, was geschaffen ist, vor allem auch der Mensch, gut ist. Er ist ein Wunderwerk Seines Wortes."
Allerdings sei die Würde des Menschen im Laufe der Geschichte vielfach mit Füßen getreten worden, etwa in Aleppo, wo Bomben selbst Krankenhäuser nicht verschont hätten, oder aktuell beim Anschlag in Berlin. "Besessen von irgendeiner Idee – und wenn sie mit Gott verbunden ist, ist Gott eindeutig missbraucht – , werden Menschen jäh in den Tod gerissen", beklagte Genn. Allerdings frage er sich auch, ob es der menschlichen Würde entspreche, wenn Menschen sich zu Gewalt, zu Zwang verleiten ließen, sich abschotteten, sich von Neid und Konkurrenzdenken leiten ließen. Auch auf die Ausnutzung von Leiharbeitern verwies der Bischof.
Gott wolle, dass der Mensch sich seiner Würde entsprechend verhalte. Mit der Möglichkeit, wahrhaftig Mensch zu werden, lege er "ein kritisches Unterscheidungspotenzial in die Geschichte hinein. Er lässt nämlich fragen, ob wir miteinander so umgehen können, wie wir das oft im Kleinen wie im Großen tun."
Weihnachten gehe an die Wurzel des Selbstverständnisses der Menschen und des Verständnis für andere und das Gemeinwesen. "Deshalb steckt in jedem Christen ein Potenzial, das es anderen und sich nicht unbedingt leicht machen kann, vielleicht sogar revolutionär wirkt – wenn wir es denn ernst nehmen mit unserem Glauben an dieses Wort, das von Ewigkeit her die Würde des Menschen betont, wenn wir also Weihnachten wirklich ernst nehmen", sagte Genn.
Angesichts der Situation in der Welt gehe das Wort von der Würde nicht leicht über die Lippen. "Es sei denn, wir fangen an, das anzunehmen, in uns aufzunehmen", sagte Genn, "es ist eigentlich nur ein kleiner Schritt notwendig: sich mit Jesus vertraut zu machen." Darin stecke die Bereitschaft, auf Jesus zu hören, Gott zu vertrauen, die Hoffnung darauf zu setzen, dass er es mit uns gut meint, und die Bereitschaft, anderen in Liebe zu begegnen.
Das könne mit Blick auf Machthaber wie Assad und Putin für naiv gehalten werden. "Aber was wäre, wenn dieses kritische Potenzial Machtpolitiker dieser Art im Herzen verwandeln würde", sagte der Bischof, "wie viel Segen wäre dies für die Welt!"
In diesem Sinne sei "Weihnachten die Einladung, sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren, auf das Wort, das von Anfang an war, das in Jesus Fleisch wurde, ihn zur Mitte meines Lebens zu machen, mich in allem fragen, was Jesus an meiner Stelle denken, sagen, tun würde – und so handeln", betonte Genn. Abschließend wünschte er "ein erfülltes Weihnachtsfest, weil Gott jeden Einzelnen von uns in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt hat. Er meint es mit seinem Wort ernst, von Anfang an."
Text: Bischöfliche Pressestelle / 25.12.16
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