© Bistum Münster

"Wie viele Kinder haben schon im Schatten dieses Baumes gesessen"

Wie oft sich Martina van Laak die mächtige Kastanie schon angeschaut hat, die auf dem Gelände des Familienzentrums Albertus Magnus in Bruckhausen steht, weiß sie nicht. „Jedes Mal, wenn ich hier stehe, habe ich ein ehrfürchtiges Gefühl“, sagt sie, während sie zu den zarten grünen Blätter schaut, die die Strahlen der Frühlingssonne einfangen. Schatten springen über die knorrige, an einigen Stellen mit Moos bewachsene Rinde. Martina van Laak muss den Kopf in den Nacken legen, um bis zur Baumkrone empor zu blicken.

Das war vor 40 Jahren, im August 1985, noch ganz anders. 19 Jahre alt war Martina van Laak damals, gerade hatte sie in dem Familienzentrum eine Stelle als Erzieherin angetreten. „Eines Tages nahm mich der damalige Pfarrer Elmar Kuhn mit zu seiner Garage und drückte mir einen kleinen Kastanienbaum in einem Plastiktopf und einen Spaten in die Hand“, erinnert sie sich. „Ich solle ihn auf dem Gelände des Familienzentrums einpflanzen und in vielen Jahren dann mit meinen vier Kindern, wenn ich längst schon nicht mehr hier arbeiten würde, im Schatten der Kastanie sitzen“, erzählt Martina van Laak. Sie lacht: „Ich habe eine Tochter bekommen und ich arbeite noch immer hier. Aber im Schatten meiner Kastanie, da sitze ich wirklich gerne.“

40 Jahre lang hat sie ihren Baum gehegt und gepflegt, ihn in den ersten Jahren vor allzu ungestümen Kindern beschützt, auch in den Sommerferien dafür gesorgt, dass er immer genug Wasser bekommt. Der Baum war da, als sie Anfang der 1990er-Jahre die Leitung des Familienzentrums übernahm, er war da, als eine Matschgrube für die Kinder angelegt und die Sandkästen entfernt wurden und er ist auch jetzt jeden Tag da, wenn Martina van Laak ihren täglichen Rundgang durch das Gebäude und über die Außenanlage macht, nachdem alle anderen schon nach Hause gegangen sind.
Einmal in den 40 Jahren drohte Ungemach. Es gab Pläne, das Außengelände zu verkleinern. Das wäre das Ende der Kastanie gewesen. „Wahrscheinlich hätte ich mich an den Baum gekettet“, sagt die Leiterin des Familienzentrums schmunzelnd. Aber durch eine glückliche Fügung waren die Pläne damals nicht durchführbar und die Kastanie durfte stehen bleiben. Lediglich einige große Äste musste sie im Laufe der Zeit einbüßen. „Selbst das tat schon ein bisschen weh“, gibt Martina van Laak zu.

Nachdenklich fällt ihr Blick auf die Kinder, die unter dem Baum toben. „Wenn man überlegt, wie viele Kinder schon im Schatten der Kastanie gespielt haben, wie viele Bücher hier vorgelesen worden sind, das ist schon etwas Besonderes“, sagt sie schließlich. Mittlerweile seien einige der Kinder von damals selbst Eltern geworden, die ihre Kinder im Familienzentrum angemeldet haben. „Auch ihr Leben hat die Kastanie immer wieder begleitet“, sagt sie. Einige Kinder von damals gehören nun sogar zum Kollegenkreis. So wie die 49-jährige Tanja Göring, die Anfang der 1980er-Jahre als Kind in dem Zentrum betreut wurde und dort nun als Erzieherin tätig ist. „Ich war zwar nicht dabei, als die Kastanie gepflanzt wurde, aber ich habe sie bei Besuchen und Praktika immer wieder gesehen und mitbekommen, wie sie wächst. Heute ist die Kastanie unser Markenzeichen“, sagt sie lächelnd.

Ein paar Jahre werden noch vergehen, bis Martina van Laak in den Ruhestand geht. Wenn es soweit ist, soll das aber nicht den Abschied von der Kastanie bedeuten. „Ganz sicher nicht“, sagt sie mit Nachdruck und lacht: „Wenn ich mal in Rente bin, dann komme ich als ehrenamtliche Vorlese-Oma her, um den Kindern im Schatten der Kastanie Geschichten vorzulesen.“

Christian Breuer

Vor 40 Jahren hat Martina van Laak kurz nach ihrer Anstellung als Erzieherin eine junge Kastanie gepflanzt. Mittlerweile ist sie Leiterin des Familienzentrums und die Kastanie ein stattlicher Baum.

© Bistum Münster