50 Jahre Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster

"Ehe-, Familien- und Lebensberatung – das ist Kirche, wie sei sein sollte, das ist Kirche, wie ich sie mir wünsche." Das hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn am 29. Mai in Münster gesagt.

Bischof Genn würdigte vor Journalisten aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) im Bistum Münster die Arbeit in den insgesamt 37 Beratungsstellen in der Diözese: "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten – aus ihrer christlichen Überzeugung heraus – mit ihrer Arbeit Großartiges. Sie geben beeindruckende Zeugnisse eines Glaubens, der das in den Mittelpunkt stellt, was gerade Papst Franziskus uns immer wieder sagt: Wir wollen eine dienende Kirche sein, eine Kirche, die für die Menschen da ist."

Die EFL, so sagte der Bischof weiter, sei ein psychologisch fundierter Beratungsdienst, der auf die Notlagen von Menschen reagiere. "Unmissverständlich werden hier die Nöte und Anliegen der Menschen zu einer zentralen Aufgabe der Kirche erklärt. Ganz nah sind wir mit der EFL an den Sorgen und Nöten der Menschen, an ihrer familiären Lebenswirklichkeit, dran und stehen ihnen in kritischen Phasen ihres Lebens und ihrer Partnerschaft bei", betonte Bischof Genn. Dabei sei die EFL kein Angebot, um über die Hintertür einen verlorenen normativen Einfluss der Kirche zurückzugewinnen. Vielmehr gehe es darum, Einzelnen und Paaren einen Raum zu bieten, die für sie guten Entscheidungen in Bezug auf ein gelingendes Leben zu finden. Die dabei im Raum stehende Option für die Ehe, deren Fortsetzung und erneute Füllung mit Leben decke sich fundamental mit den Sehnsüchten vieler Ratsuchender. "Diese berichten nicht selten – so haben es mir die Verantwortlichen der EFL gesagt – dass es gerade ein Pfund unserer Beratungsstellen ist, dass dort ihre Partnerschaft ein hohes, nicht leichtfertig aufs Spiel gesetztes Gut darstellt", sagte Bischof Genn.

Natürlich wünsche sich die Kirche gelingende Ehen. Gleichwohl müsse man auch sehen, dass Ehescheidungen längst zur Wirklichkeit – auch in christlich geprägten Familien – gehörten. "Gerade mit Blick auf den hohen Anspruch, den die christliche Ehe mit sich bringt, stehen wir als Kirche unweigerlich in der Verantwortung, den Paaren und Eheleuten in allen Phasen einer Paarbeziehung stützend zur Seite zu stehen. Mit der EFL haben wir als Kirche im Bistum Münster eine offene Tür für Menschen in der Not", unterstrich der Bischof. Dabei brauche ein Ratsuchender weder einen Mitgliederausweis einer Kirche oder Religion noch einen Krankenschein oder sonst irgendeine Zulassungsvoraussetzung. Bischof Genn: "Es ist ein Angebot für alle, wo – das darf ich auch einmal sagen – gibt es das heute sonst noch?"

Auch Dr. Markus Wonka, Leiter der EFL im Bistum Münster, betonte diesen Aspekt und wies zudem darauf hin, dass die Beratung für die Ratsuchenden kostenfrei sei. Er warf einen Blick auf die Zahlen und erläuterte, dass sich alleine im vergangenen Jahr 11.410 Ratsuchende an die Beratungsstellen im nordrhein-westfälischen Teil des Bistums gewandt hätten. Die Zahlen seien in den vergangenen fünf Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Vor 20 Jahren seien es etwa noch weniger als die Hälfte (5.104) gewesen. Zum überwiegenden Teil, nämlich zu fast zwei Dritteln oder mit gut 3,5 Millionen Euro, werde das Beratungsangebot aus Bistumsmitteln finanziert. Den Rest der Kosten teilten sich Städte und Kreise (20,4 Prozent) und das Land Nordrhein-Westfalen (10,8 Prozent).

Wonka ging auf die Frage ein, warum insbesondere Paare zunehmend professionelle Unterstützung bräuchten. Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass die durchschnittliche Ehedauer zugenommen habe. Auch die mit der veränderten Rolle und dem gestiegenen Bildungsniveau von Frauen verbundenen Freiheiten und Optionen transportierten gleichzeitig ein enormes Konfliktpotenzial in Paarbeziehungen. Er betonte, dass der "Wert von Verbindlichkeit" in einer Paarbeziehung auch heute noch hoch eingeschätzt werde: "Nur hier vermögen manche noch zu hoffen, so angenommen zu werden, wie sie wirklich sind – unabhängig von Leistungsvermögen und Geld." So gerieten Paarbeziehung und Ehe aber auch schnell zu einem "neoromantischen Sehnsuchtsort". Dabei könne der hohe emotionale Anspruch an die Ehe verbunden mit der potentiellen Dauer der Ehe die Partner schnell überfordern: "Das Gelingen einer Ehe unter den Bedingungen der Moderne ist in einem noch nie dagewesenen Ausmaß an eine erfolgreiche Konfliktbewältigung und ebensolche Kompetenz gebunden", sagte Wonka. Er unterstrich, dass dauerhaft geführte Ehen auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz hätten und nannte Beispiele: Wer zufrieden in einer Partnerschaft lebe, sei gesünder; zugleich zeigten sich bei Kindern, deren Eltern in einer guten Partnerschaft lebten, weniger Verhaltensauffälligkeiten. Eine gut funktionierende Partnerschaft sei auch wichtig für den Wunsch, Kinder zu bekommen und wenn eine Partnerschaft scheitere, erhöhe das zugleich das Risiko, unter die Armutsgrenze abzurutschen. "Wem das Wohl und die Entwicklung von Familien und der darin lebenden Kinder am Herzen liegen, muss sich um die Qualität und Stabilität der Paarbeziehung Gedanken machen", unterstrich der Leiter der EFL im Bistum Münster. Die hohe gesellschaftliche Relevanz von Paarbeziehung und Ehe und deren gleichzeitige Fragilität machten sie angewie¬sen auf alle nur erdenkliche Unterstützung von Seiten der Gesellschaft und der Kirche.

Antje Volpert-Kuss, Leiterin der EFL in Datteln, betonte, dass die meisten Paare mit der Frage zur EFL kämen: "Wie können wir besser miteinander reden, so dass wir nicht nur nebeneinander her leben oder uns ständig heftig streiten." Dabei kämen die Paare in den letzten Jahren mit deutlich komplexeren Problemstellungen zur EFL. Lebenskrisen, so unterstrich die Beraterin, seien noch keine "Krankheiten", die einer Psychotherapie bedürften. Oft jedoch könnten sie auch nicht allein bewältigt werden und die Ratsuchenden wollten im Kontakt mit der EFL auch die eigene Lebensgeschichte bewältigen sowie erlebte Kränkungen und Trennungen verarbeiten. Bei vielen Klientinnen und Klienten gehe es auch um das Thema, wie sie angemessen etwa mit pflegebedürftigen Eltern oder Schwiegereltern umgehen könnten, ohne dabei auch die eigenen Bedürfnisse aus dem Blick zu verlieren: "Die Überzeugung, nur etwas wert zu sein, wenn man etwas für andere tut, führt irgendwann zu großer Erschöpfung und Überforderung oder Aggressivität", sagte Volpert-Kuss. In den letzten Jahren, so sagte sie weiter, erlebe sie auch sehr viele Paare, bei denen einer in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung sei oder gewesen sei. Zugleich wachse die Zahl der über 60-jährigen Klienten und der ganz jungen Paare, die zur Beratung kämen. "Die Bereitschaft, Hilfe in Anspruch zu nehmen und Leid nicht einfach nur auszuhalten, nimmt zu", sagte die Beraterin. Sie wies darauf hin, dass die EFL seit gut zehn Jahren auch eine Onlineberatung anbiete: "Die Möglichkeit, sich zu jeder Tageszeit etwas von der Seele schreiben zu können, wird oft als sehr entlastend erlebt", betonte sie.

Eine Klientin schilderte in dem Pressegespräch, wie sie die Beratung durch die EFL erlebt hat. Sie betonte, dass sie durch die Beratung wieder neue Lebenskraft bekommen habe. Wichtig sei gewesen, dass die Beraterin ihr einfach zugehört habe. "Grundlegend war die Erfahrung, dass die Beraterin mich so angenommen hat, wie ich bin. Das war ein sehr stärkendes Gefühl. Ich konnte ich selbst sein", sagte die Klientin. Nach und nach sei so ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gewachsen. Die Beraterin sei in schwierigen Situationen für sie da gewesen: "Sie hat mir zugehört und die Ohnmacht mit ausgehalten."

Zum Jubiläum findet am Mittwoch, 10. Juni in Münster eine Festveranstaltung statt. Um 14 Uhr feiert Bischof Genn einen Gottesdienst in der Clemenskirche. Im Anschluss ist um 16 Uhr der Festakt in der Stadthalle in Hiltrup. Den Festvortrag hält Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich. Zum Jubiläum wurde auch eine Cartoon-Serie entwickelt. Die Cartoons sind sowohl auf Stadtbussen in Münster zu sehen als auch in einem Kino-Spot. Täglich wird zudem in den nächsten Tagen auf der Facebook-Seite des Bistums Münster jeweils ein Cartoon mit einem kurzen Impuls veröffentlicht werden: www.facebook.com/Bistum.Muenster .

Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de