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Die versteckte Armut - ein Gespräch mit einer Rentnerin aus Dinslaken

, Kreisdekanat Wesel

Millionen Rentnerinnen und Rentner leiden unter der derzeitigen Preisexplosion. So auch Annemarie K. (Name von der Redaktion geändert) aus Dinslaken. Die 77-Jährige erhält eine monatliche Rente in Höhe von 731 Euro und 97 Euro Wohngeld. Das reicht nur für das Allernötigste. Weil sie von ihrer Rente nicht einmal den Friseurbesuch bezahlen kann, geht Annemarie K. drei Stunden in der Woche putzen. An neue Kleidung sei gar nicht zu denken. Grund zur Klage ist das für sie nicht: „Ich stehe jeden Morgen gut gelaunt auf und gehe gerne arbeiten – solange die Gesundheit mitspielt.

„Ich muss wirtschaften“, sagt die Rentnerin und erklärt, wie: „Ich kaufe nur, was ich wirklich brauche.“ Für alleinstehende Menschen sei es schwer, beim Lebensmitteldiscounter einzukaufen, weil es dort nur Familienpackungen gibt. „Was soll ich alleine mit zehn Scheiben Käse?“ Fertiggerichte kommen bei Annemarie K. nicht auf den Teller. Sie kocht preiswert für mehrere Tage. Manchmal auch für den Nachbarn mit, der noch weniger habe als sie selbst.  Dass alles teurer wird, bereitet ihr große Sorgen. Doch darüber spricht sie ungefragt nicht. „Damit muss ich selbst auskommen“, sagt die 77-Jährige. „Ich wusste immer, dass ich eine kleine Rente haben werde.“ Nach der Hochzeit war die gelernte Verkäuferin mit den zwei Kindern zu Hause. Später hat sie im Imbiss gearbeitet oder geputzt. 

Heute wohnt Annemarie K. in einer kleinen Wohnung. Ihr Ex-Mann ist bereits verstorben. Sie spart an allen Ecken und Enden. Ein Handy oder einen Computer besitzt sie nicht. Sollte beispielsweise eine Reparatur der Waschmaschine anstehen, müsse sie zum Amt gehen oder im Waschbecken waschen. Ihre Kinder, zu denen sie ein sehr gutes Verhältnis hat, um Hilfe zu bitten, komme für sie nicht in Frage: „Da müsste schon Gott weiß was passieren.“ 

Wegen der hohen Kosten, dreht sie die Heizung trotz Winterkälte nur wenig auf. „Deshalb haben wir gemeinsam den Heizkostenzuschuss bei der Caritas im Bistum Münster beantragt“, sagt Sozialarbeiterin Jessica Tepass von der Caritas in Dinslaken. Immer mehr Menschen seien von Altersarmut betroffen. Im vergangenen Jahr mussten zwölf Prozent mehr Rentner Grundsicherung beantragen. Das Dunkelfeld sei sicher viel höher, sagt Jessica Tepass. „Obwohl sich niemand für Altersarmut schämen muss, wird sie oft versteckt“, weiß die Altenberaterin.  

Dass sich die Politiker mehr um die Älteren sorgen müssen, würde Annemarie K.  ihnen gerne einmal in einer Talkshow sagen. Denn man sehe die Rentner einfach nicht. Dennoch beschreibt sie sich als „wunschlos glücklich“. Nein, eine Sache fällt ihr doch ein: Auf Schalke würde sie wahnsinnig gerne mal ein Fußballspiel sehen und zum Abklatschen an den Spielfeldrand gehen.

Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 68 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 110 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.

Weitere Informationen über die Beratungs- und Unterstützungsangebote des der Caritas unter: www.caritas-wesel.de.

Carolin Kronenburg