Edith Thier, Leiterin des Hauses der Familie Münster, geht in den Ruhestand

, Stadtdekanat Münster

Es ist ein Gefühlsgemisch, das in diesen Tagen in Edith Thier herrscht: Abschied nehmen, über Perspektiven nachdenken, Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt – „da kommt vieles zusammen“, sagt die 65-Jähige mit einem Hauch Wehmut in der Stimme. 15 Jahre lang hat sie das Haus der Familie in Münster geleitet. Am 23. Juni übergibt sie die Leitung der katholischen Einrichtung an ihren Nachfolger Johannes Wilde und wird in den Ruhestand verabschiedet.
 

Edith Thier verlässt das Haus der Familie in Münster nach 15 Jahren und geht in den Ruhestand.

© Bistum Münster

Bildungsarbeit ist für Edith Thier Herzenssache. Wie ein roter Faden zieht sich dieser Bereich durch das Berufsleben der gebürtigen Nordhornerin, die seit 1978 im kirchlichen Dienst tätig ist. Die ersten Jahre arbeitete die studierte Religionspädagogin als Pastoralreferentin in Esterwegen im Bistum Osnabrück. „Dann wurde es mir zu eng und ich wollte eine Veränderung“, blickt Thier zurück, damals bewegt von der in Lateinamerika entstandenen Theologie der Befreiung. Kolumbien lautete ihr neuer Einsatzort – aus geplanten drei Jahren in der Entwicklungsarbeit wurden elf. „Die Zeit hat mich sehr geprägt“, sagt sie. Auseinandersetzungen mit anderen Lebensrealitäten, viele Unsicherheiten. Edith Thier lernt inmitten von Unwägbarkeiten, was es heißt, gelassen zu bleiben. Eine gute Schule für den weiteren Weg. 

Freunde an der Arbeit mit Menschen

Zurück in Deutschland ergänzte sie ihre Ausbildung um ein Studium der Interkulturellen Pädagogik an der Universität Köln und übernahm schließlich für neun Jahre die Leitung der Familienbildungsstätte in Oberhausen. „Ich mochte die Menschen dort mit ihrer direkten und herzlichen Art“, erinnert sich Edith Thier. 2007 dann der Wechsel nach Münster ins Haus der Familie – eine ähnliche Arbeit und doch völlig verschiedene Rahmenbedingungen. „Im Ruhrgebiet mussten wir schauen, wie sich die Menschen die Kurse der Familienbildung leisten können“, sagt sie. In der Domstadt dagegen bestanden andere Möglichkeiten der Förderung – durch Stadt, Land, Bistum und Stiftungen. „Da war mit einem Mal viel möglich.“
Dankbar ist Edith Thier für das Team, mit dem sie in den vergangenen 15 Jahren zusammenarbeiten durfte. „Einige waren damals schon dabei, als ich kam, und sind es immer noch“, freut sie sich. 18 Hauptamtliche, rund 380 Kursleiterinnen und -leiter auf Honorarbasis, dazu die vielen Teilnehmenden: Die Freude an der Arbeit mit Menschen hat Edith Thier stets begleitet. Auch in der Netzwerkarbeit in der Stadt. „Ich habe die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Einrichtungen immer zuerst als Kooperation und nicht als Konkurrenz erlebt“, betont die scheidende Leiterin. 

Viele Herausforderungen, die in den zurückliegenden Jahren auf sie warteten, hätte sich Edith Thier bei ihrem Kommen 2007 nicht vorstellen können. Die Flüchtlingssituation 2015, die beginnende Pandemie 2020, der aktuelle Ukraine-Krieg und viele weitere gesellschaftliche Veränderungen sind Gründe für die Schwerpunkte, die das Haus der Familie mit den Jahren entwickelt hat. „Wir haben unsere interkulturelle und interreligiöse Arbeit ausgebaut, ebenso die sozialraumorientierte Arbeit“, berichtet Thier und begrüßt die Entwicklung, dass Familienbildung längst nicht mehr nur dem Mittelstandsbürger zur Verfügung steht. „Es ist gut, dass sich Familienbildung auf den Weg gemacht hat, um auch Menschen aus schwierigen Verhältnissen vor Ort zu erreichen.“ Für das Haus der Familie in Münster bedeutet dies, dass mittlerweile rund 40 Prozent der Angebote „überall dort stattfinden, wo wir reingelassen werden“, sagt die 65-Jährige gerne etwas flapsig. „Damit erreichen wir auch die Menschen in den Stadtteilen, für die der Weg in die Innenstadt nicht so einfach ist.“ 

Weiterentwicklung des Bereichs Digitalisierung im Haus der Familie

Dauerbrenner wie Geburtsvorbereitungskurse, Spielgruppen oder Nähkurse werden auch künftig nachgefragt werden, ist sich Edith Thier sicher. Doch Aufgabe von Familienbildung sei es auch, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. So habe sich beispielsweise die Situation von Müttern und Vätern verändert, auch die Ernährung habe einen anderen Stellenwert bekommen. „In Zukunft wird sicherlich der Bereich Digitalisierung hier im Haus weiterentwickelt werden“, hat sie die Weichen für die Arbeit ihres Nachfolgers gestellt. Damit wird die 65-Jährige dann aber nicht mehr viel zu tun haben. Sie freut sich auf mehr Zeit, auch mit ihrer Tochter. Und vielleicht besucht die werdende Oma das Haus der Familie ja demnächst mal als Kursteilnehmerin mit ihrem Enkelkind…

Ann-Christin Ladermann