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„Eigene Wunden annehmen, Wunden anderer heilen“

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Wunden und Verwundbarkeit anzunehmen und daraus Liebe abzuleiten: Über diese Herausforderung hat Münsters Bischof Dr. Felix Genn am Karfreitag im St.-Paulus-Dom Münster gesprochen.

In seiner Predigt bei der „Feier vom Leiden und Sterben des Herrn“ ging der Bischof von dem „Elend unserer Welt und Zeit“ aus. Man könne den Eindruck einer „Welt, die auf einen Abgrund hin zu taumeln scheint“, haben. Die Kreuzverehrung der Kirche an Karfreitag und das Kreuz an sich seien Ausdruck des Glaubens: „Es ist der Glaube, dass wir hier mit Gottes Liebe konfrontiert sind, einer Liebe, die es vollbracht hat, bis zum letzten Atemzug angesichts der Gewalt nicht zurückzuschlagen.“

Mit Blick auf die Worte des sterbenden Jesus am Kreuz stellte der Bischof heraus, dass Jesus nach der Liebe der Menschen und Gottes dürste, er in dieser Situation aber „den Höhepunkt der Ablehnung“ erfahre. Er vollbringe es, „das Böse nicht zu vergelten, die Beleidigungen und Beschuldigungen zu widerlegen, durchzuhalten mit der Liebe.“ Jesus habe alles verkündet, „was die gewaltlose Liebe als die einzige Macht, die Leben gewinnen kann, dieser Welt zu sagen hat.“

In Jesus sehe man „nicht nur einen Verwundeten, wie es unzählig viele gibt, sondern einen, der diese Wunden auf sich nimmt, weil er sich von Gott gesandt weiß, das einzig Mögliche dieser Welt zu bringen, das sie rettet – nämlich Liebe und nicht den Hass, das Verzeihen und nicht die Vergeltung, die Bereitschaft, lieber Unrecht zu erleiden als es zu tun oder sich zu rächen.“ Durch Jesus sehe man den Menschen, wie er sei, als verwundetes und verwundbares Wesen.

„Gott ist so weit gegangen, dass er uns als Menschen annahm, indem er einer von uns wurde und deshalb als einziger überhaupt in der Lage war, das Böse auszuhöhlen, die Mächte des Todes in den Untergang zu führen“, sagte Genn. Daraus ergebe sich ein „geradezu politisches Programm: ein Programm, niemals mit Waffen zu versuchen, Recht zu bekommen, Land zu erben. Es ist das Programm einer gewaltlosen Liebe, ein Programm, für den einzustehen, der ungerecht angegriffen und verfolgt wird.“

Das Programm gelte selbst, wenn es einen in den Konflikt hineinführe, wie es der westlichen Welt mit Blick auf die Ukraine gehe. Auch das könne man als Wunde empfinden.

Der Gekreuzigte zeige Wunden, statt sie zu verdrängen. „Er ermöglicht uns deshalb, an unsere eigenen Wunden zu denken, auch an jene, die wir persönlich nur allein kennen, und die jeder in seinem Herzen verborgen hat“, sagte der Bischof. Damit gebe Jesus den Menschen die Möglichkeit, zu ihren eigenen Wunden zu stehen und seine Liebe in diese eindringen zu lassen. „Er gibt mir die Möglichkeit, mich zu denen zu zählen, die bereit sind, die Wunden anderer zu heilen, vielleicht die, die ich selber jemandem geschlagen habe, und darüber hinaus die vielfältigen Wunden, denen wir in unserer Gesellschaft begegnen“, sagte Genn, „dieser Moment birgt aber auch die Gelegenheit, endlich einmal nicht nur auf mich zu schauen, sondern auch das Leid der anderen Menschen zu sehen, zu tragen, zu heilen.“ Zuletzt werde so „die Verehrung dieses Kreuzes als das Heil der Welt zum ganz persönlichen und intimen Rufgebet.“