Er genießt die Arbeit. Das ist Mahmood Osman anzusehen, während er die Kleidung auf dem Ständer im Verkaufsraum des Sozialkaufhauses in Haltern am See sortiert. Er lächelt viel, spricht herzlich mit Kollegen und Kunden. Der Job bedeutet ihm eine Menge: Abwechslung, Alltagsstruktur, Deutsch-Unterricht, Integration … Der Syrer gehört seit einem Jahr zum Team der Einrichtung der Caritas Ostvest, packt Kisten mit Ware aus, inspiziert sie und bereitet sie für den Verkauf vor.
„Das ist eine riesige Chance hier für mich“, sagt der 47-Jährige, der vor acht Jahren aus Syrien flüchtete. „Sonst bliebe mir nur das Sofa vor dem Fernseher daheim, Langeweile und kaum eine Perspektive.“ Eine Lähmung beeinträchtigt seinen rechten Arm. Auf dem ersten Arbeitsmarkt hat er sich bislang ohne Erfolg beworben. Im Kaufhaus hat er sich nicht nur an einen neuen Alltagsrhythmus gewöhnt. „Ich verbessere hier jeden Tag mein Deutsch, lerne selbstständig zu arbeiten und gehe selbstbewusster auf die Menschen zu.“
Das bringt ihm ein Selbstwertgefühl, das er über viele Jahre verloren hatte. „Ich spüre, dass ich dazugehöre“, sagt Osman. „Alle hier sind offen, nett und hilfsbereit.“ Und er verdient hier sein eigenes Geld. Das ist ihm besonders wichtig. Ein Gehalt bringt ein anderes Gefühl als eine Zuwendung ohne Gegenleistung. „Vielleicht schaffe ich es ja irgendwann, in ein anderes Arbeitsverhältnis.“
Mit „anders“ meint Osman einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt. Bislang wird sein Gehalt über Mittel aus dem Bundeshaushalt für die Eingliederung in Arbeit finanziert. Das Geld wird zur Verfügung gestellt, um bürgergeldbeziehende Langzeitarbeitslose mittelfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Doch genau diese Finanzierung droht bald wegzufallen. Im Haushalt für 2025 sind für diesen Bereich Kürzungen um über 10 Prozent geplant. Das sind bundesweit jährlich insgesamt 450 Millionen Euro.
„Zusammen mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre bewegen wir uns damit in einem Rahmen von fast einer Milliarde Euro“, sagt Liesa Marschall aus dem Bereich Soziale Arbeit der Caritas für das Bistum Münster. „Das sind dramatische Entwicklungen.“ Denn für die etwa 30 Mitarbeitenden in den unterschiedlichen Caritas-Einrichtungen der Diözese, die über diese Gelder finanziert werden, bedeute das den Arbeitsplatzverlust.
„Das heißt für sie: Raus aus dem Arbeitsmarkt, raus aus beruflicher Weiterentwicklung, raus aus Perspektiven und raus aus einem Umfeld gelingender Integration“, sagt Marschall. „Ohne Betreuung in diesem Rahmen besteht für sie kaum eine Chance, sich für ein anderes Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.“
Michael Halberstadt, bei der Caritas Ostvest für die Arbeitsmarktintegration zuständig, spricht von einer „erschreckenden Kurzsichtigkeit“ bei den Entscheidungen für die Kürzungen. „Wollen wir diese Menschen bis an ihr Lebensende dauerhaft über das Bürgergeld alimentieren oder wollen wir ihnen über die geförderte Beschäftigung die Chance geben, ihren Beitrag für die Gesellschaft und für die Bewältigung der eigenen Situation leisten zu können?“ Das sieht er unabhängig von der Möglichkeit, dass sie irgendwann auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen. Eine solche Entwicklung wäre aber am Ende der Weg, auf dem der Staat viel Geld einsparen könnte, weil Förderungen komplett wegfallen würden.
Die Auswirkungen der Kürzungen gehen für Halberstadt aber viel weiter. Ein regelrechter Domino-Effekt würde angestoßen: „Fallen die geförderten Stellen weg, werden auch weniger Sozialarbeiter-Stunden bezahlt.“ Die Folge wäre, dass auch weniger ehrenamtliche Kräfte von den Sozialarbeiten begleitet werden könnten. „Wir könnten das Angebot des Sozialkaufhauses mit den vielen günstigen Waren ohne die Förderkräfte und Ehrenamtlichen nicht mehr aufrechterhalten.“ Für die Menschen in Haltern, die auf ein solches Angebot angewiesen sind, gibt es aber keine Alternative.
Michael Bönte
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen, 89 Kindertageseinrichtungen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.