Die Theologin und Sozialpädagogin, die bislang als Präventionsbeauftragte im Bistum Münster tätig war, sprach sich dafür aus, geschützte Räume zu schaffen, in denen Menschen selbstbestimmt und freiwillig über Sexualität reden könnten. Dabei gehe es auch um eine Selbstreflektion, eine Vergewisserung über die eigenen Normen: „Welche Dinge halte ich für gut und richtig?“ Die eigene ethische Grundhaltung drücke sich über die Sprache aus, so Kahle. Räume hierfür zu schaffen, sei eine Aufgabe für die Kirche und die kirchliche Jugendarbeit.
Zuvor hatten mehrere Mitwirkende der Kampagne #OutInChurch von der Schwierigkeit berichtet, über ihre Sexualität offen sprechen zu können. Rafael Steinbach, Auszubildender im Bistum Rottenburg-Stuttgart, betonte, wie wichtig das Gespräch über das Thema sei, um Akzeptanz und Toleranz zu schaffen: „Es war für mich ein Riesenproblem, zu sagen: Ich bin schwul und katholisch. Bis ich sagen konnte: Ich bin schwul und katholisch und Gott hat mich trotzdem lieb.“ Er wünsche sich von der Kirche eine Willkommenskultur: „Ihr seid gut so, wie Gott euch geschaffen hat.“
Auf den sprachlichen Unterschied zwischen Sexualität und Sex machte die Paderborner Theologiestudentin Eva Dreier aufmerksam: Jeder Mensch habe eine Sexualität, selbst wenn er überhaupt nicht sexuell aktiv sei: „Sexualität ist ein Grundbestandteil unserer menschlichen Identität.“ Dem pflichtete der Schweizer Theologe und Autor Pierre Stutz bei und warb dafür, „den Eros als göttliche Kraft wertzuschätzen“. Das Religiöse und das Geschlechtliche seien unsere stärksten Wesensmerkmale als Menschen, so Stutz.
Ann-Kathrin Kahle erinnerte daran, dass das Wissen über Sexualität oft von unserem direkten und gesellschaftlichen Umfeld abhänge: „Wie wir über Sexualität denken, hat viel damit zu tun, wie die Welt um uns herum darüber denkt. Und wie die Welt über Mädchen und deren Sexualität denkt, ist völlig anders, als wie sie über Jungen und deren Sexualität denkt.“ Es mache einen Unterschied, ob man von Sexualität nur höre oder ob man selbst darüber sprechen könne. Und dies könne man am besten erlernen durch „üben, üben, üben.“