Gläubige erinnern bei ‚Düsterer Mette‘ an Leiden und Tod Jesu

Es ist diese Stille. Lautlos, schweigend, eine Totenstille. Sie erfasst die Besucher schon beim Betreten des Münsteraner Doms.

Hier wird gleich etwas gefeiert, das mit Trauer, mit Klage zu tun hat. Schummerig ist es. Nur die nötigsten Lampen brennen für die Sängerinnen und Sänger des Domchores.

Eine einzige Lichtquelle zieht die Blicke aller auf sich. Hell verbreitet der Leuchter vor dem Altar im Chorraum den Schein der 15 Kerzen in den Abend hinein. Noch brennen alle Kerzen. Ansonsten herrscht Dunkelheit.

‚Düstere Mette‘ – die Atmosphäre geht schon aus dem Titel der Feier am 23. März mit Dompropst Kurt Schulte im St.-Paulus-Dom hervor. Der eigentliche Name, ‚Trauermette‘, lässt ahnen, worum es geht. Diese Liturgie wird in Münster am Mittwoch in der Karwoche gefeiert. Es sind die Tage, an denen die Kirche in besonderer Weise des Leidens Jesu Christi gedenkt.

"Erbarme dich meiner, o Gott." Eine zaghafte Frauenstimme durchbricht die Stille. Im Wechsel mit der Gemeinde betet eine Klarissenschwester den Psalm 70. Vers um Vers. "Erbarme dich meiner, o Gott, erbarme dich meiner", endet der Dialog. Stille breitet sich aus. In diese hinein tritt ein Messdiener in den Lichtschein des Leuchters. Mit einem langen Löschhut geht er noch einen Schritt näher heran und erstickt die Flamme der ersten Kerze. Rauch schlängelt sich in einer Säule gen Himmel. Noch 14 Mal wird der Messdiener dies in der nächsten Stunde wiederholen.

Während noch sämtliche Blicke aus den Bänken den aufsteigenden Rauch verfolgen, erklingt die Stimme von Domkantorin Verena Schürmann. Von der Kanzel herab, eingerahmt von zwei einzelnen Kerzen, singt sie die Klage des Propheten Jeremias in den Kirchenraum hinein. Rein und klar steigen die lateinischen Worte mit dem Rauch der erloschenen Kerze nach oben. In das Echo ihrer Melodie antwortet vierstimmig der Domchor unter Leitung von Domkapellmeister Alexander Lauer mit den Klängen des Werkes ‚In monte Oliveti‘ von Anton Bruckner. Wieder erlischt eine Kerze.

Das Programmheft zugeklappt, die Augen geschlossen. So sitzen viele Besucher in den Bänken des Doms. Sie lassen sich von den wiederkehrenden Elementen der Lesungen des Gründonnerstags und der Klagelieder –gesungen und gelesen – mitnehmen. Zum Anfang des Leidens des Jesus von Nazareth: den Verrat durch seinen Freund Judas Iskariot. Trostlos klingen die Texte, melancholisch die Gesänge der ‚Düsteren Mette‘. Kerze um Kerze erlischt. Stille. Das unausweichliche Ziel der Leidensgeschichte Jesu kommt näher. Er wird den Tod am Kreuz sterben. Doch noch ist es nicht so weit.

Die letzte Kerze am Leuchter erlischt. Der Dom ist jetzt in völlige Dunkelheit und Schweigen gehüllt. Auch wenn die Gläubigen wissen, dass diese Symbolik in der Osternacht den umgekehrten Weg nehmen wird und die Osterkerze in das dunkle Gotteshaus hineingetragen wird, damit die Flamme verbreitet werden kann – diese Stille gilt es jetzt auszuhalten. Sie ist Ausdruck der Verlassenheit und der Klage. Es ist eine Stille, die Bewegungen verbietet und selbst das Atmen unangenehm erscheinen lässt. Und dann ist sie vorbei. Jäh wird sie durch das laute Anschlagen der Sitze im Chorgestühl zerrissen. Im Schein des Leuchters haben die Priester während der Feier dort ausgeharrt. Jetzt stehen sie auf und lassen die Sitze geräuschvoll knallen. Wie ein Sehnsuchtsschrei, ein Ruf der Verzweiflung, hallt das Gepolter durch den Kirchenraum. Einzeln und ungeordnet verlassen sie das Chorgestühl in der Dunkelheit. Eine Unordnung, die von den Gläubigen aufgegriffen wird. Das Warten auf die Auferstehung Jesu Christi beginnt.

Bildunterschrift: Nach und nach erloschen die 15 Kerzen des Leuchters im Chorraum des Domes als Sinnbild des vergehenden Lebens Jesu.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 24.03.16
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