Helmuth Rilling leitete h-Moll-Messe
Als Auftakt und ein erster Höhepunkt der Feiern zum 750-jährigen Bestehen des münsterschen Doms erklang dort am Freitagabend, 5. September 2014, Bachs Messe in h-Moll.
Der bis auf den letzten Platz gefüllte Dom erstrahlte im Glanz der Musik und gab Raum für ein meisterhaft musizierendes Ensemble. Dirigent Helmuth Rilling leitete nicht nur das nach ihm benannte Kammerorchester, das „Bach Ensemble Helmuth Rilling“, sondern auch den renommierten NDR-Chor und das hochqualifizierte Solistenquartett.
Bischof Dr. Felix Genn hatte schon in seinen Begrüßungsworten versprochen: „Wir werden heute etwas Paradiesisches erleben.“ Er dankte ausdrücklich der Evonik Industries AG, die dem Bistum dieses Konzert geschenkt hatte. Überdies hatte das Essener Chemieunternehmen die Verdoppelung der im Anschluss an das Konzert gesammelten Spenden zugesagt, die mehreren Projekten des Bistums für sozial Benachteiligte zugute kommen. Schon dieses Geschenk sei paradiesisch, so der Bischof, und die Musik ohnehin. Die barocke Musik Bachs erklinge im gotischen Dom: „Wir werden spüren, wie beides zusammenschwingt.“
Rilling selbst, 81 Jahre alt und seit mehr als sechzig Jahren Vollblutmusiker, hat sich mit der Gründung und künstlerischen Leitung der Gächinger Kantorei, des Bach-Collegiums Stuttgart und der Internationalen Bachakademie Stuttgart vielfältige Verdienste um die Alte Musik und insbesondere das Werk Bachs erworben und trat als ausgewiesener Kenner im Dom vor das Ensemble aus etwa 70 Musikerinnen und Musikern. Die Anstrengung des zweistündigen Konzerts bewältigte Rilling souverän.
Mit der h-Moll-Messe hat Johann Sebastian Bach (1685-1750) einen vollständigen Messzyklus vertont. Bach selbst hatte der Messe aber keinen Namen gegeben, und es kam zu seinen Lebzeiten auch nie zu einer Aufführung. Die Entstehung zog sich allerdings über fast 25 Jahre hin, obwohl Bach nur rund ein Viertel der Sätze neu komponierte. Für die anderen griff er auf das sogenannte Parodieverfahren zurück, indem er schon vorhandene Kompositionen aus seiner Feder mit neuem Text unterlegte und musikalisch so bearbeitete, dass sie sich in die veränderte Struktur fugenlos eingliedern ließen. Allen ist aber gemeinsam, dass sie die theologische Tiefe der Texte bis ins kleinste Detail des Wort-Ton-Verhältnisses spiegeln und zahlensymbolisch deuten. Bach griff einerseits auf archaische Strukturen, Melodien und Harmonien zurück, andererseits setzte er aber auch auf barocke Klangpracht, ohne dass ein stilistischer Widerspruch daraus entstand.
Diese musikalische Synthese aus Strenge und Leichtigkeit, die Bach meisterhaft zu einem Gesamtkunstwerk fügte, wurde erlebbar in der Darstellung durch die hochkarätigen Musiker.
Das Solistenquartett mit Julia Sophie Wagner (Sopran), Roxana Constantinescu (Mezzosopran und Alt), Dominik Wortig (Tenor) und Tobias Berndt (Bariton) präsentierte seine Partien mit großer Musikalität.
Sopran und Alt sangen in Duetten und Arien virtuos und mit Verve. Wagners helle und leichte Sopranstimme mischte sich auch gut mit klaren und kultivierten Tenor Wortigs. Im „Agnus Dei“ fast am Ende der h-Moll-Messe zeigte Roxana Constantinescu noch einmal die ganze Wärme ihrer Stimme. Tobias Berndt musizierte seine Bassarien stilistisch und sängerisch berückend schön und, der Musik Bachs sehr angemessen, bei aller Klangpracht geradezu bescheiden.
Das Orchester stellte sein Können nicht nur im perfekt aufeinander abgestimmten Zusammenspiel dar, sondern auch in den zahlreichen überaus geschmackvoll gestalteten Solopartien. Die Freude der Musiker an der Musik Bachs war zu hören und zu sehen.
Der NDR-Chor bestach durch seine stimmliche Ausgewogenheit und Präsenz. Der Kammerchor setzte Glanzlichter und füllte den Dom zusammen mit dem Orchester bis in den letzten Winkel mit Wohlklang und Pracht. Die zahlreichen Fugen in oft schnellem Tempo waren jederzeit klar strukturiert und auch in der halligen Akustik des Doms durchhörbar. Das harmonisch unglaublich komplizierte und zerbrechliche „Ex expecto resurrectionem mortuorum“ am Ende des Credo sang der Chor ebenso durchsichtig und souverän wie innig und bis ins Pianissimo zurückgenommen: Spätestens hier war man im Paradies angekommen.
Das Konzert wurde aus dem Dom auf eine Großleinwand mit hoher Tonqualität in die Überwasserkirche übertragen und im Internet auf mehreren Seiten als Live-Video-Stream gesendet. Zugleich fand eine Aufzeichnung für den Radiosender NDR Kultur statt, der das Konzert am Freitag, dem 3. Oktober 2014, von 11 bis 13 Uhr sendet.
Text: Dr. Claudia-Maria Korsmeier
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de